1855 - vor 150 Jahren starb Carl Friedrich Gauß

Aus diesem Anlaß hatten der DVW Niedersachsen zusammen mit dem Bildungswerk des VDV zu einem Gauß-Seminar am 9./10. September 2005 in Göttingen eingeladen. Nach Begrüßungen von Dipl.-Ing. Jürgen Lagoda, VDV und Prof. Klaus Kertscher, DVW (mit Dank für das Zusammenwirken beider Vereinigungen) erlebten rd. 50 Teilnehmer (darunter eine ganze Reihe von Mitgliedern des Förderkreises Vermessungstechnisches Museum Dortmund) außerordentlich lebendige Vorträge zum Leben und Wirken von Gauß in der Geodäsie in Braunschweig und Göttingen - in einem Tagungslokal ("Zum Schwarzen Bären") nur wenige Meter entfernt von der seinerzeitigen Gauß-Wohnung (1808 - 1816) und späterem Katasteramt (1909 - 1981) .

Dr. Gerd Biegel,  Ltd. Museumsdirektor aus Braunschweig, berichtete eingangs, Gauß sei in einem Wettbewerb der Braunschweiger Zeitung (und gleich nach Heinrich dem Löwen) als der bedeutendste Braunschweiger aus 100 Persönlichkeiten ausgewählt worden - und knüpfte daran eine außerordentlich kurzweilige Schilderung von dessen Jugend, von damaliger Braunschweiger Bildungsreform ("noch heute gelten die gleichen Wahrheiten") und Eliteförderung, von dessen Förderung durch seine Lehrer Büttner, Bartels und den Mathematikprofessor von Zimmermann sowie insbesondere durch Herzog Carl Wilhelm Ferdinand (1735 - 1806) - Biegel ehrte beredt den Braunschweiger Gauß. 

Dieter Kertscher aus Braunschweig erinnerte zunächst an den 10-DM-Schein, auf dem ein Teil der hannoverschen Dreickskette abgebildet war. Er spannte den Bogen der Gradmessungen von Eratosthenes über Snellius bis zu Gauß und dessen Zusammenwirken mit Prof. Schumacher (Direktor der Sternwarte Altona), der Hannoverschen Landesvermessung 1821 bis 1844 - und flocht dabei aktuell den Dank ein an den Kollegen Meliß - ehemals Mitarbeiter der Landesvermessung Hannover - der sich um die Dokumentation von Zeugnissen aus jener Zeit verdient macht.

Klaus-Jürgen Schmidt aus Goslar zeigte in seiner Spurensuche, Gauß habe seine "ersten Versuche" zu Winkelmessungen auf dem Andreas-Kirchturm in Braunschweig um 1805 - vor 200 Jahren - noch mit einem Sextanten begonnen, ausgeliehen von Franz Xaver von Zach. In seiner langen Göttinger Zeit folgten die Gradmessungsarbeiten 1821 bis 24, die Hannoversche Landesvermessung mit dem Nullpunkt Göttinger Sternwarte - Schmidt erinnerte besonders an die bewundernswerte Leistung der Vermessung des Dreiecks Brocken-Hohehagen-Inselberg mit einer Sicht von 116 km - in heutiger Zeit kaum noch leistbar.

Dr. Axel Wittmann von der Gauß-Gesellschaft Göttingen  stellte das Wirken der 1962 in Göttingen gegründeten Vereinigung in den Mittelpunkt seiner Erinnerungen an das Göttinger Wirken von Gauß, hob die lange segensreiche Kooperation mit unserem Kollegen Horst Michling hervor - eine Neuauflage von dessen Gauß-Buch ist bei der Gauß-Gesellschaft erhältlich -  und begrüßte ganz besonders Hofrat Prof. Franz Allmer, der von Anfang an alle Aktivitäten in Göttingen mitgestaltet habe.

Prof. Dr.-Ing. Peter Mesenburg aus Essen entwickelte in seinem Beitrag die Parallelen von klassischer Mercator-Projektion und der Gauß'schen konformen Abbildung als transversale Mercator-Projektion - beides winkeltreue Abbildungen, schon bei Mercator mit hoher Netzgenauigkeit. Doch Mercator hat in seinen Karten inhaltlich nicht so exakt gearbeitet,  seinerzeit z.B. das Mittelmeer in seiner Länge grob fehlerhaft abgebildet, und dies, obwohl die schon existierenden  Portolan-Karten eine korrekte Darstellung boten.

Prof. Franz Allmer aus Graz wußte die Zuhörer trotz fortgeschrittener Zeit mit seiner Würdigung von Carl Friedrich Gauß nochmals besonders zu fesseln, klärte die Zuhörerschaft launig auf über den Unterschied auf zwischen einem Hofrat und einem wirklichen Hofrat (wie Klaus Kertscher ihn begrüßt hatte) - und startete mit einem Foto der Gauß-Gedenk-Briefmarke mit der Gauß'schen Zahlenebene imaginärer und komplexer Zahlen. Mit seiner selbst-erlebten Tour d'Horizont zu Ehrungen von Gauß, u.a. der Verleihung der Gauß-Medaille 1977 an Prof. Helmut Moritz, Gauß-Gedenken in vielen Städten (Gauß-Platz in Wien) berichtete er (im 90. Lebensjahr stehend!) ungemein anschaulich und lehrreich - und die Redaktion merkt an, auch in Bremen gibt es auch einen "Gauß'schen Punkt".

Nachmittags vor dem Rathaus demonstrierten eine Reihe von Fachinstitutionen aus ihrem Wirken im Vermessungswesen, so zeigte z.B.  die Fachhochschule Oldenburg  unter Leitung von Prof. Dr. Heinz Wübbelmann  moderne Vermessungsverfahren, u.a. wurde der eingescannte Gänseliesel-Brunnen im Laptop abgebildet und ausgemessen. - 
Am späteren Nachmittag führte Dieter Kertscher (professionell und unverwechselbar als Gauß kostümiert) mit Assistenz von  Dr. Axel Wittmann die Teilnehmer in einem historischen Rundgang zum früheren Wohnhaus von Gauß, zum Gauß-Weber-Denkmal mit Erinnerung an die erste Elektrische Telegraphenverbindung durch Gauß und Weber 1833, zum Gauß-Haus und zur Sternwarte. Einige Teilnehmer besuchten abschließend das Gauß-Grab auf dem Albani-Friedhof.
Mit einem Orgelkonzert in St. Jakobi und einer Exkursion in die Umgebung von Göttingen am 10. September 2005 schloß diese ungewöhnliche Gauß-Veranstaltung: Herzlicher Dank gilt den Organisatoren, insbesondere den Brüdern Dieter und Klaus Kertscher sowie Jürgen Lagoda für diese außerordentlich gelungene Hommage an Carl Friedrich Gauß.