Das Leben und Wirken von Friedrich Gustav Gauß

Friedrich Gustav Gauß hat das preußische Kataster im 19. Jahrhundert wesentlich geprägt. Als er vor 100 Jahren im Jahre 1905 mit 77 Jahren (!) pensioniert wurde, war er zuvor noch durch den damaligen preußischen Finanzminister Freiherr von Rheingraben persönlich für seine Verdienste mit dem Prädikat „Exzellenz“ ausgezeichnet worden.

Friedrich Gustav Gauß bezeichneten spätere Generationen gerne als „Kataster-Gauß“, zur Unterscheidung von Carl Friedrich Gauß, dem großen Mathematiker und Geodäten, mit dem er nicht verwandt war. Friedrich Suckow (sein späterer Nachfolger im preußischen Finanzministerium) würdigte F.G. Gauß aus Anlaß von dessen 100. Geburtstag als „Gründer des preußischen Katasters, als Organisator und Förderer des preußischen Landmeßwesens“.

Friedrich Gustav Gauß wurde am 20. Juni 1829 in Bielefeld geboren und verstarb 86-jährig am 26. Juni 1915 in Berlin, vor 90 Jahren. Prima-Reife, Feldmesserprüfung 1848, Neumessungsarbeiten in Minden (u.a. beim Steuerrat Vorländer), Katasterkontrolleur in Blankenheim und Mitglied der Schätzungskommission des Kreises Schleiden in der Eifel – dies waren Stationen, bevor er 1858 in das preußische Finanzministerium berufen wurde.  Zu jener Zeit fehlten insbesondere in den östlichen Provinzen die Grundlagen zur Erhebung einer Grundsteuer auf den Grund und Boden und auf die Gebäude. Der preußische Staat brauchte dringend Geld, die Grundsteuer war auf 10 Millionen Taler festgesetzt worden. Gauß kam ins Finanzministerium, als man dort drei richtungweisende neue Steuergesetze vorbereitete: Die Gesetze betreffend die anderweitige Regelung der Grundsteuer, betr. die Einführung der allgemeinen Gebäudesteuer und betr. die Grundsteuerentschädigung, alle verkündet am 21. Mai 1861. Die Steuern sollten ab dem 1.1.1865 in ganz Preußen einheitlich erhoben werden. Eine Vorläuferregelung gab es seit 1839 in den westlichen Provinzen.

Die fast unlösbare Aufgabe: Innerhalb von nur 3 ½ Jahren mußte das Grund- und Gebäudesteuer-Kataster einschließlich der Bonitierung für das ganze damalige preußische Staatsgebiet aufgestellt werden. In den beiden westlichen Provinzen Rheinland und Westfalen (44.000 km²) waren bereits ältere Steuerkataster vorhanden, so konnte auf ältere Karten und Register zurückgegriffen werden. In den östlichen Provinzen (Brandenburg, Sachsen, Schlesien, Posen, Pommern und Preußen, rd. 231.000 km²) mußten jedoch überhaupt erst Karten beschafft werden. Geeignet waren vor allem die Karten aus den Separationen und Gemeinheitsteilungen, auch Forst- und Gutskarten unterschiedlicher Maßstäbe und Qualität. Die gänzlich kartenlose Fläche umfaßte 35.000 km², rd. 16 % der östlichen Provinzen.  Für diese gesamten Gebiete mußte in kürzester Frist ein Steuerkataster erarbeitet werden - Karten und Register mit Nachweis der Parzellen und Flächen, zugehöriger Ermittlung des Reinertrags/Bonitierung und der Eigentümer/Steuerschuldner.

F.G. Gauß hatte 1859 im preußischen Finanzministerium als gerade 30-jähriger eine Denkschrift zur Grundbesteuerung vorgelegt  und war im Mai 1861 in die Büroleitung der Zentraldirektion zur Regelung der Grundsteuer avancierte.  Ihm wurde die Gesamtleitung der Umsetzung der Steuergesetze von 1861 übertragen. Neben der umfangreichen technischen Aufgabe mußte das benötigte Vermessungspersonal rekrutiert werden – aus den Auseinandersetzungsbehörden, Bauverwaltungen und fachfremden Gehilfen („Schuster und Schneider“, wie später kolportiert wurde).

F.G. Gauß leitete dann auch ab 1866 die Katasteranlegung in den neu hinzugekommenen Provinzen Hannover, Schleswig-Holstein, Hessen-Nassau und im Kreis Meisenheim. 1872 wurde Gauß zum Generalinspektor des Katasters in Preußen ernannt. Er schrieb eine Reihe von Lehrbüchern („Gebäudesteuer in Preußen“ 1866, „Teilung der Grundstücke“ 1878, Logarithmentafeln, selbst eine „Ausgleichungsrechnung“). Er besorgte die Herausgabe der grundlegenden preußischen Katasteranweisungen von 1881, die Einführung der 40 Soldner-Koordinatensysteme für Preußen. Eine wesentliche Unterstützung erfuhr Gauß u. a. durch Otto Koll (1851-1911), später Professor in Bonn-Poppelsdorf . F.G. Gauß verfaßte u.a. den Kommissionsbericht zur Denkschrift des Landtagsabgeordneten Sombart vom 1. 4. 1879 betreffend „die Organisation und Reform  des öffentlichen Vermessungswesens in Preußen“ –  Sombart bezeichnete  darin Friedrich Gustav Gauß „als genialen Mann, wie man ihn zur Durchführung einer großen Idee brauche“. F.G. Gauß wurde vielfach geehrt,  1899 mit der Verleihung des Grades  Dr. phil. h. c.  der Universität Straßburg.

Nachtrag: Ehrengrab für F. G. Gauß.  Ltd. Vermessungsdirektor Dipl.-Ing. Günther Bolze teilte uns mit, der Senat von Berlin hat 1978 das Grab von Dr. phil. h. c. Friedrich Gustav Gauß auf dem Friedhof der Jerusalems- und Neuen Kirche am Mehringdamm als Ehrengrabstätte anerkannt. Die Pflege des Grabes als Ehrengrab hatte 1977 Prof. Günter Hübner veranlaßt, damaliger Leiter der Berliner Vermessungsverwaltung.

Literatur u.a.: Friedrich Suckow: „Friedrich Gustav Gauß zum Gedenken bei der 100. Wiederkehr seines Geburtstags am 20. Juni 1829“ (ZfV 1929 S. 481-502) -   Friedrich Kurandt: „Zur Erinnerung an die Gründung der preußischen Katasterverwaltung am 1. Januar 1865“ (ZfV 1966 S. 1-11) – Walter Großmann: Geschichte des Deutschen Vereins für Vermessungswesen I , Sonderheft 23 (1985) - Silke Friedrich: „Zu Lebzeiten Legende, heute nahezu vergessen? Zum 170. Geburtstag von Friedrich Gustav Gauß“ (Vermessungsingenieur 2000 S.  374-376). -  Bernhard Zimmermann: „Zur Erinnerung an Otto Koll“ (Vermessungsingenieur 2001 S. 360-361).