12. Februar - 100 Jahre Reichgerichtsurteil von 1910

Das „Reichsgerichtsurteil von 1910“ hatte für die Geschichte des Liegenschaftskatasters eine ganz besondere Bedeutung. Es galt unter Katasterleuten lange geradezu als Metapher für die enge Verzahnung von Kataster und Grundbuch.

Der Leitsatz: „Die aus den Steuerbüchern in das Grundbuch übernommenen Eintragungen  werden insoweit durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs gedeckt, als sie die den Gegenstand der eingetragenen Rechte bildende Grundfläche feststellen.“

Das (Flurstücks-)Kataster war im 19. Jahrhundert vorrangig als Steuerkataster erstellt worden. Mit der Grundbuchanlegung (z.B. in Preußen seit 1872, einheitlich im ehemaligen Deutschen Reich ab 1900) nutzte das Grundbuch die tatsächlichen Angaben des Katasters zur Beschreibung der Rechtgegenstände, insbesondere des Eigentums am Grund und Boden. In der Geschichte des Katasters bildete jenes Reichgerichturteil von 1910 eine entscheidende Wendemarke, war doch damit erstmals letztinstanzlich festgestellt worden, wie der öffentliche Glaube des Grundbuchs das Kataster einbezog. Die Katasterverwaltungen erkannten sehr bald die hohe Bedeutung dieses Urteils. So erließ z. B.  die Preußische Katasterverwaltung 1913 die „Ergänzungsbestimmungen zur Anweisung II (Fortführungsvermessungen)“. Diese Bestimmungen erhöhten die Anforderungen an die technische Durchführung der Grenzvermessungen und an die rechtlich einwandfreie Abfassung der damaligen Grenzverhandlungen. Ziel war, im Wege der allmählichen Erneuerung des Katasters aus den als Steuerkataster angelegten Katasternachweisen beweiskräftige Katasterkarten und  Grenznachweise zu entwickeln.  

In moderner Übersetzung sagt das am 12. Februar 1910 ergangene Urteil: Der Katasternachweis nimmt insoweit am öffentlichen Glauben des Grundbuchs (§ 892 BGB) teil, als er den Teil der Erdoberfläche nachweist, auf den sich das im Grundbuch eingetragene Recht bezieht. Maßgebend ist die Darstellung der Flurstücksgrenzen in der Flurkarte und in ihren Unterlagen. Die beschreibenden  Angaben im Kataster, z. B. die Fläche, nehmen nicht am öffentlichen Glauben teil.

Quelle u. a. Plähn in ZfV 1910 S. 316 – 330: Text des Reichsgerichtsurteils und erster Kommentar. Plähn wies darin auf die Fehlerhaftigkeit des als Steuergrundlage angelegten Katasters und damit auf die Risiken hin, die damals aus dem Urteil des Reichsgerichts von 1910 folgten.