175 Jahre Kataster und Vermessung in Bremen

Am 15. Mai 1835 beschloß die Bremische Bürgerschaft auf Vorschlag der Finanzdeputation, ein „Cataster-Bureau“ zu gründen. Das war der Geburtstag des Katasteramts Bremen, 1939 umbenannt in Katasterverwaltung der Freien Hansestadt Bremen, 1941 Vermessungsamt der Stadt Bremen,1945 bis 1995 (50 Jahre) Kataster- und Vermessungsverwaltung Bremen, seit 1995 Wirtschaftsbetrieb „Kataster und Vermessung Bremen“, seit 2003 als Eigenbetrieb „GeoInformation Bremen“.

Allein diese Namenskette signalisiert eine zeit-typische Entwicklungsgeschichte – und gegenwärtig ist eine Rückumwandlung in eine Behörde neu im Gespräch – wieder Katasteramt Bremen?

Am Beginn vor 175 Jahren standen als dringlich erkannte Erfordernisse aus dem Finanz- und aus dem Bauwesen, hier insbesondere aus dem Tiefbau. Bereits 1813/15 hatte A. E. von Weltzien dem bremischen Senat ein ausführliches Memorandum unterbreitet über „Die Verfertigung eines Lagerbuchs oder Catasters für die Gemeinden des Gebiets der Freyen Hansestadt Bremen“ – angeregt durch eigene Erfahrungen in französischen Diensten. Es sollte noch 20 Jahre dauern, bis es zur Gründung des Katasterbüros kam. Es war der damals höchste Beamte, Wasserbaudirektor Blohm, der zu den grundsteuerlichen Erfordernissen die bautechnischen und planerischen Notwendigkeiten einbrachte, für ausreichende Karten zu sorgen, für den Chaussee- und Wegebau, zur Erschließung von Bauflächen, für den Deichbau. Schon damals mußten offenbar handfeste Praxis-Erfordernisse in den Vordergrund gerückt werden, um Allgemeinerfordernisse durchzusetzen. –

           Die leitenden bremischen Behördenleiter haben in der Vergangenheit gerne die Gelegenheit „runder Geburtstage“ genutzt, um den in der Allgemeinheit meist wenig beachteten Dienst des „Katasteramts“ in die Öffentlichkeit zu tragen, jenen unverzichtbaren Dienst für das Gemeinwesen, die Wirtschaft und den Bürger generell im Grundstückswesen, für das Bodeneigentum und das Liegenschaftskataster, in der Bodenordnung und Grundstücksbewertung, die Stadtkartographie und Stadtdokumentation, für die Stadt- und Verkehrsplanung. Die Jubiläen 100 Jahre Katasteramt 1935, 125 Jahre Kataster- und Vermessungsverwaltung 1960 und zuletzt 1985 das Jubiläum 150 Jahre Kataster und Vermessung in Bremen sind durch große festliche Veranstaltungen gewürdigt worden - jeweils ergänzt mit in einer in die breite Öffentlichkeit wirkende Ausstellung (siehe u. a. die Veröffentlichungen von Brinkmann 1935, Erxleben 1960 und Lucht 1985, Bohnsack 1985). Am 15. Mai 1985 fand die Festveranstaltung mit über 400 Teilnehmern in der Oberen Rathaushalle  Bremen statt, in der Unteren Rathaushalle wurde eine große Ausstellung präsentiert, man zählte 11.000 Besucher (Tworuschka 1986).

Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, nach 1945, waren in Bremen durch sparsame Personalausstattung der Katasterbehörde geprägt, die in den Katasterwerken bis in die Gegenwart nachwirken. In den Jahren ab etwa 1980/85 herrschte im Land Bremen bereits Haushalts-Notlage, daraus folgten erhebliche Sparmaßnahmen des Senats in den Fachverwaltungen. Ab etwa 1992 gab die Politik Vorgaben zur Umwandlung der Fachbehörden in sogenannte privatwirtschaftliche Strukturen mit Kosten-Leistungsrechnungen. Die Katasterbehörde erhielt ab 1995 die Form eines Wirtschaftsbetriebs mit Jahresbilanzen. 2003 wurde der eingeschränkt selbständige Wirtschaftsbetrieb in einen selbständigen Eigenbetrieb umgewandelt.

Politische Absicht war, dieser solle sich weitgehend selbst finanzieren – angesichts der vielfältig hoheitlichen Aufgaben eine Vorgabe, erinnernd an die Quadratur des Kreises. Autor dieser Zeilen hatte seine Zweifel an der Umsetzbarkeit jenes seit 1999 erwogenen Ziels in die Feststellung gekleidet: „War die Form des bestehenden Wirtschaftsbetriebs durch das Motiv der Kosten- und Leistungstransparenz gerechtfertigt, ist demgegenüber die weitergehende Eigenbetriebsform unseren gesetzlichen Kernaufgaben gegenüber wesensfremd.“ (Lucht 1999 S. 246).

Die Politik in Bremen forderte 2003, einen Wirtschaftsingenieur für die Betriebsleitung einzustellen, zusätzlich versehen mit gutachterlichen Vorgaben für die Wirtschaftsführung. Der ausgewählte Betriebsleiter organisierte u. a. 2008 die so sehr erfolgreiche INTERGEO Bremen 2008, die weltgrößte Messe für Geoinformation im Kongreßzentrum auf der Bürgerweide in Bremen. Inzwischen von seinen Aufgaben entpflichtet, scheint gegenwärtig nach Zeitungsmeldungen die Rückkehr von GeoInformation Bremen in eine Amtsstruktur wahrscheinlich. - -

Allgemein zeigt sich in Deutschland nach den Behörden-Umwandlungen in den Jahren 1995 bis etwa 2005 heute folgernder bundesweiter Sachstand: „Auf regionaler Ebene bestehen Behörden für die Aufgaben des Liegenschaftskatasters und für die Bereitstellung anderer großmaßstäbiger Geoinformationen. Sie sind entweder als staatliche Sonderbehörden eingerichtet oder wie in Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen kommunalen Gebietskörperschaften zugeordnet…..Herauszustellen ist, dass sich das amtliche Vermessungswesen in Deutschland seit einigen Jahren in einem grundlegenden organisatorischen Umstrukturierungsprozess befindet...“(Creuzer/Zeddies in Kummer/Frankenberger 2010, Kap. 2.3.1).     

Heute vor 175 Jahren war in Bremen eine der ältesten Katasterinstitutionen in Deutschland durch Senatsbeschluß gegründet worden. Angesichts der aktuellen Situation gibt es zwar gegenwärtig kaum Möglichkeiten, diesen Geburtstag jetzt zu feierlich zu begehen. Es ist jedoch angedacht, das Jubiläum noch in diesem Jahr besonders zu würdigen.

Literatur (Auswahl): Brinkmann, W. A.: Das Bremische Kataster- und Vermessungswesen seit 1813, ZfV 1935 S. 369 – 379; Erxleben, B.: Bremen – heute, AVN 1960 S. 275 – 279; Lucht, H.: 150 Jahre Kataster und Vermessung in Bremen, ZfV 1985 S. 219 –  228; Bohnsack, G.: 150 Jahre Kataster und Vermessung in Bremen (Bericht über die Veranstaltungen) ZfV 1985 S. 377 – 379; Rendigs,H. 150 Jahre Bremeische Grundstücksbewertung, Zs. Vermessungswesen und Raumordnung 1986 S. 363 – 370, Tworuschka, H.: Ausstellung aus Anlaß des 150-jährigen Bestehens der Kataster- und Vermessungsverwaltung Bremen, Zs. Vermessungswesen und Raumordnung 1986 S. 75 – 76; Lucht, H.: Verwaltungsumbau im Kataster- und Vermessungswesen in Bremen, ZfV 1999, S. 241 – 247: Lucht, H.: Bremen – gestern und heute, zfv 2008 S. 197 – 205; Kummer, K. und Frankenberger, J. (Hrsg.): Das Deutsche Vermessungs- und Geoinformationswesen 2010, Wichmann-Verlag –  Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Heidelberg u.a. und Nachtrag: Lucht H.: Eine Episode in der 175-jährigen Geschichte des Katasters in Bremen, VDVmagazin 2011 S. 30 -31.