200 Jahre Preußische Städteordnung

Am 19. November 1808 wurde die Preußische Städteordnung als ein bedeutsames Zeugnis der Stein-Hardenbergschen Reformgesetzgebung verkündet. Prof. Dr. mult. Erich Weiß – lange schon im Vorstand unseres Förderkreises aktiv – hat die damals handelnden Personen dem Vergessen entrissen. Er zeichnete die fachlichen und biographischen Wurzeln jenes Reformwerkes nach, angeregt durch die Vorbereitungen des von ihm wesentlich mitgestalteten 10. Symposium für Vermessungsgeschichte in Dortmund im Februar 2008.

Der preußische Staatsminister Freiherr vom Stein leitete bis November 1808 die aus fachlich differenzierten Einzeldepartements zusammengesetzte oberste Staatsverwaltung Preußens, nachgeordnet u. a. das Provinzialdepartement für Ost- und Westpreußen unter Friedrich Leopold von Schroetter und dessen Mitarbeiter Heinrich Albert Wilckens. Erich Weiß hat nach Auswertung historischer Quellen und historischer Dokumente herausgearbeitet, wie jener H. A. Wilckens die Städteordnung maßgeblich entworfen hat. Grundlage war die „Nassauer Denkschrift“ des Freiherrn vom Stein von 1807 und nicht zuletzt eine Kabinettsorder des Königs Friedrich Wilhelm III (1770 in Potsdam – 1840 in Berlin), ausgelöst durch das ebenfalls 1808 erfolgte, durch vom Stein geförderte Ersuchen der Königsberger Bürgerschaft an den König, eine gesetzliche Repräsentation auf Stadtebene zu schaffen – so u. a. einen auf begrenzte Zeit gewählten Magistrat und eine Stadtverordnetenversammlung; Bürgersinn und Gemeingeist sollte wieder neues Leben erhalten. Dabei sollten auch die unterschiedlichen Verhältnisse in den Städten nach Umfang, Bevölkerung und den städtischen Ständen berücksichtigt werden. Heinrich Albert Wilckens hatte diese große Aufgabe binnen weniger Wochen zu schultern, wie Erich Weiß in seiner außerordentlich gründlichen Studie nachweist und ausführlich darstellt.

Eine populärwissenschaftliche Darstellung der damaligen gesellschaftlichen Situation gibt Christopher Clark (Professor für Neuere Europäische Geschichte in Cambridge), wir lesen in seinem neuen Buch zusammenfassend (Zitat aus S. 388) „Von den emanzipierten Bürgern … wurde erwartet, dass sie sich aktiv am politischen Leben beteiligten. Stein hoffte, dies durch die Schaffung gewählter Organe der städtischen Selbstverwaltung zu erreichen …  Die Kategorie „Bürger“, die einst auf die privilegierten Mitglieder der Ständeorganisationen wie Zünfte beschränkt war, wurde dahingehend ausgeweitet, dass sie nunmehr alle Personen umfasste, die ein Haus besaßen (auch alleinstehende Frauen) oder ein „Gewerbe“ in den Stadtgrenzen ausübten. Alle männlichen Bürger, die ein bescheidenes Mindestvermögen vorweisen konnten, waren berechtigt, sich an den städtischen Wahlen zu beteiligen und ein Amt zu übernehmen.“ Es war wohl mehr eine Zielvorstellung: Um alle diese Ansätze sollte in der Liberalismus-Diskussion des 19. Jahrhunderts vielfach gerungen werden (Ein Themenbereich, in dem sich z. B. selbst auch Johann Friedrich Benzenberg engagierte, siehe auch unsere Mitt. Nr. 254).   - Ausgelöst durch die Napoleonische Herrschaft trat Freiherrn vom Stein noch 1808 als leitender Minister des preußischen Staates zurück (siehe auch bei Prof. Dr. Erich Weiß im Symposiumsband zum 10. Symposium für Vermessungsgeschichte). Vom Stein legte seinem Monarchen noch am Tage seines Abschieds (24. November 1808) einen Organisationsplan vor, in dem er eine beratende ständische Verfassung vorsah (siehe bei Prof. Dr. Peter Burg im gleichen Symposiumsband). -  

Mit Kabinettsorder vom 19. November 1808 hatte der preußische König jene Städteordnung, die „Ordnung für sämtliche Städte der preußischen Monarchie“, zum Gesetz ausfertigen lassen. Bemerkenswert: Um Druckkosten zu sparen, ließ man dieses Reformgesetz in äußerst spartanischer Ausgestaltung als Zeitungsbeilage erscheinen, in vier Teilen über den ganzen Monat Dezember 1808 verteilt – in diesen Tagen vor 200 Jahren.

Die preußische Städteordnung von 1808 des Freiherrn vom Stein wurde später zum wesentlichen Ausgangspunkt der kommunalen Selbstverwaltung, heute gegründet auf Artikel 28 Grundgesetz. Vor diesem Hintergrund verleiht der Deutsche Städtetag  die „Freiherr-vom-Stein-Medaille“ für herausragende Leistungen in diesem Gebiet. Auch das kommunale Vermessungs- und Liegenschaftswesen ist wesentlicher Teil kommunaler Selbstverwaltung (siehe auch unsere Mitt. Nr. 192). -           

Quellen: Erich Weiß: Heinrich Albert Wilckens – eine biographische Miniatur aus der preußischen Reformgesetzgebung zu Städteordnung vom 19. November 1808, Zs. Flächenmanagement und Bodenordnung (fub) 6/2008 S. 276 – 284, Christopher Clark: Preußen, Aufstieg und Niedergang 1600 – 1947, Pantheon Verlag, Erste Auflage Oktober 2008, 896 Seiten; Reichsfreiherr vom und zum Stein zum 250. Geburtstag - 10. Symposium zur Vermessungsgeschichte 18.02.08 - Symposiumsband herausgegeben von Kurt Kröger, Förderkreis Vermessungstechnisches Museum e.V. Dortmund 2008, Schriftenreihe Band 37 - 22.