Alexander Nalenz – vor 100 Jahren verstarb der Eisenbahnlandmesser
Noch Ende des vor-vergangenen Jahrhunderts hatte Nalenz eine aus geodätischer Sicht originelle Meß- und Absteckungstechnik für Gleisbogen entwickelt. In diesem Verfahren wurde unmittelbar das durch den Eisenbahnbetrieb verformte Gleis als Messungslinie verwendet. Anhand von Pfeilhöhenmessungen im verformten Gleis wurde sein Krümmungsbild ermittelt. Das Krümmungsbild der neuen Gleisachse wurde dazu rechnerisch in Beziehung gebracht, und aus der Differenz dieser beiden Krümmungsbilder konnten die gesuchten Abstände zwischen den beiden Linien abgeleitet werden, so daß hiernach die neue Gleisachse vom alten Gleis abgesteckt werden konnte. Großer Vorteil: die Aufmessung und Absteckung konnte im Bereich des vorhandenen Gleises stattfinden. Insbesondere erleichterte es die Absteckungsarbeiten bei Brücken, hohen Dämmen oder tiefen Geländeeinschnitten.
Wie so oft in der Geschichte fand das Verfahren jedoch erst breitere Anwendung, als der Eisenbahnlandmesser Max Höfer die großen Vorteile erkannte und mehrere Aufsätze mit zusätzlichen und vereinfachenden Erläuterungen veröffentlichte. Das Nalenz-Höfer-Verfahren kam endgültig zum Durchbruch, als sich 1931 der damalige Reichsbahnbaumeister Dr.-Ing. Gerhard Schramm für diese Benennung und seine Anwendung aussprach. Noch bis etwa 1970 - und in einigen Vermessungsbüros der damaligen Bundesbahndirektionen noch danach - hatte sich das Nalenz-Höfer-Verfahren als das Standardverfahren für die Gleisberichtigung etabliert.
Wegen der mathematischen Beziehungen zwischen den Pfeilhöhen bzw. Krümmungsverhältnissen einerseits und ihrer zeichnerischen Darstellung andererseits setzte sich später auch der Name Winkelbildverfahren durch. Die Bezeichnung Winkelbildverfahren geht wohl ebenfalls auf Schramm zurück, schreibt Prof. Dr.-Ing. Siegfried Heitz, der das Verfahren 2003 differentialgeometrisch begründet hat.
Alexander Nalenz wurde am 30. September 1849 in Dirschau an der Weichsel geboren, einer Kleinstadt mit ca. 11 000 Einwohnern bei Danzig, gelegen an der Eisenbahnlinie von Berlin nach Königsberg. Aus einfachen Verhältnissen kommend, studierte er in Berlin Mathematik und wurde dann Eisenbahnlandmesser – in einer Zeit, in der (um 1870/1880) im damaligen deutschen Reichsgebiet in jedem Jahr annähernd 1000 km neuer Eisenbahnstrecken in Betrieb genommen wurden. Dabei lagen ihm Wissensdurst und wissenschaftliche Durchdringung von Problemen näher, als die praktische Anwendung seiner Erkenntnisse. So erklärt sich auch die zunächst geringe Resonanz des nach ihm benannten Verfahrens zur Absteckung eines Gleisbogens von einer Standlinie aus. Nalenz war mehr ein Einzelgänger, der sich andererseits neben seinen mathematischen Studien ein tiefes Wissen über die Kunst und insbesondere über die Musik erarbeitete. Alexander Nalenz starb am 4. Januar 1910 – eine Persönlichkeit, die sich durch Fleiß und hohe Intelligenz einen großen Namen erworben hatte.
Quellen: Siems, Erich: Schriftliche Hinweise auf das historische Datum und die Bedeutung von Nalenz; und Heitz, Siegfried: Benachbarte Kurven und Flächen, Verallgemeinerungen des ”Winkelbildverfahrens“, Mitt. aus den Geodätischen Instituten der Rheinischen Friedrich–Wilhelms–Universität, Bonn, Nr. 90 - Dezember 2003 ISSN 0723–4325. Nachtrag: Erich Siems: Hundertster Geburtstag von Alexander Nalenz - Erinnerungen an einen Großen Eisenbahnlandmesser und sein Verfahren zur Gleisvermessung - in DER EISENBAHNINGENIEUR, internationale Fachzeitschrift für Schieneverkehr & Technik, Heft 02/10 S. 54 - 55.
- Das Deutsche Vermessungs- und Geoinformationswesen
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