Christian von Massenbach hat Teile Schlesiens vermessen
Und aktuell findet sich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) Ende November d.J. ein ausführlicher Bericht (darüber später mehr) über jene ungewöhnliche Persönlichkeit, die sein Zeitgenosse Carl von Clausewitz nach 1806 „ehrlich beschrieb“: „Massenbach, von kleiner gedrungener Gestalt …sehr feurigen Augen und frischer Karnation (Gesichtsfarbe), verrieth auf den ersten Blick den Enthusiasten, bei dem Gemüth und Phantasie vorherrschten. Solchen Leuten fehlt es nie an auffassendem und bildendem Verstande, ….aber es fehlt ihnen an Takt, Urtheil und kerngesunden Ideen. So war es auch mit Massenbach“, wie Manfred Spata zitiert.
Freiherr Christian von Massenbach wurde 1782 „in den Generalquartiermeisterstab aufgenommen, der seither in Friedenszeiten die Aufgabe hatte, für rein militärische Zwecke Geländeaufnahmen in den eigenen Provinzen zu tätigen, aber auch fremde potenzielle „Kriegstheater“ (Kriegsschauplätze) zu erkunden“, schreibt Spata und weiter. „Massenbach erhielt dann 1790 den Auftrag, im schlesischen Grenzgebiet zu Sachsen und Böhmen einen sogenannten „Defensions-Plan vom Gebirge zwischen dem Riesen-Gebirg und der Grafschaft Glatz“ zu zeichnen“. – Nach den Feldzügen 1792 – 1795 gegen Frankreich legte Christian von Massenbach seine militärgeographischen Gedanken in mehreren Denkschriften dar, insbesondere zur Bedeutung der Festungen, wofür die notwendigen Kartenwerke und Geländebeschreibungen jedoch fehlten. Entsprechende Verbesserungsvorschläge legte der Freiherr am 25. Juni 1795 dem König Friedrich Wilhelm II. vor: „Man müßte den Frieden dazu benutzen, seine eigenen und die Kriegstheater fremder Nationen kennen zu lernen ….so muß man damit anfangen, ein trigonometrisches Netz zu entwerfen. … Es gibt einige unter uns (im Generalquartiermeisterstab), welche einen großen Teil ihres Lebens auf das Studium der Mathematik verwendet haben, und wohl wissen, worauf es eigentlich bei der Vermessung eines Landes ankomme.“ 1796 – 1806 arbeitete Massenbach selbst als Aufnahmeoffizier an der Berichtigung des älteren schlesischen Kartenwerks von Hammer ostwärts der Oder. Die von Massenbach berichtigten 48 Blätter erhielten später die Bezeichnung „Massenbach-Kartenwerk“ (handgezeichnet, koloriert, 81cm x 63 cm, Maßstab 1:24.000). Sie vermitteln ein genaues Siedlungsbild von Oberschlesien um 1800. Manfred Spata: „Die Blätter der Hammer- und Massenbach-Aufnahmen gehören heute zum Bestand der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz und sind von Zeit zu Zeit in Ausstellungen zu sehen, zuletzt 2000 im Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott.“
Massenbach hat später zahlreiche Schriften über seine Ansichten zur Reformen in Preußen, zur Reorganisation des preußischen Staates, der Armee und zur Kriegsführung verfasst – deren Befolgen als eine der Haupursachen der verlorenen Schlacht von Jena und Auerstedt galt. Schließlich brachte ihm seine intrigante Memoirenschreiberei mit Drohungen gegen den König Friedrich Wilhelm III. 1817 einen Prozess wegen Landesverrats ein – und von 1817 bis 1826 die Festungshaft in der Festung Glatz. Dort schrieb dann Massenbach an einem ein 26-bändigen Werk über Staatsschuldentilgung. Auch dieses Werk durfte nicht gedruckt werden, enthielt es doch wiederum scharfe Polemik gegen hochgestellte Persönlichkeiten. 1826 begnadigt, starb Freiherr Christian von Massenbach ein Jahr später am 21. November 1827. – Eine Anmerkung zur Staatsschuldentilgung: Preußen stand 1818 vor dem Staatsbankrott. Auch der uns Vermessungsingenieuren so gut bekannte J. F. Benzenberg hatte sich intensiv mit der preußischen Staatsverschuldung befasst. „Nur die sogenannte ‚englische Anleihe‘ bei dem Londoner Bankier Rothschild von rd. 30 Mio. Talern bewahrte den Staat vor der Zahlungsunfähigkeit“, hat Dajana Baum in ihrer Dissertation über Johann-Friedrich Benzenberg (1777 – 1846), dort Seite 282, in Erinnerung gerufen (siehe auch Besprechung der Arbeit in zfv 2009 S. 68-69).
Kurz zurück zur aktuellen F.A.Z. vom 26. November 2016 (Seite18). Dort schreibt Professor Dr. phil. Jan Volker Röhnert, Braunschweig, über von Massenbach unter dem Titel „Der verhinderte deutsche Chateaubriand – Nach der verlorenen Schlacht bei Jena begann Christian von Massenbach ein weithin unbekanntes autobiographisches Projekt“ – Röhnert berichtet, die Niederlage in jener Schlacht wurde von Massenbach angelastet und weiter: „Der heimgegehrte Massenbach wollte Vorwürfe, die Kapitulation befördert oder Napoleon in die Händegespielt zu haben, nicht auf sich sitzen lassen. Es war an ihm, die Geschichte des Niedergangs, wie er sie seit seinem Eintritt ins preußische Heer empfunden hatte, minutiös aufzuschreiben. Sie sollte zum uferlosen Epos geraten, welchem er den Rest seiner Lebenszeit opferte …“ – Röhnert sieht darin eine Parallele zum Werk von Chateaubriand, wie jener die Epoche Napoleons aus Sicht des zur Verbannung gezwungenen Napoleons verteidigt.
Wir konnten hier Manfred Spata’s Arbeit nur sehr kurzgefasst referieren. Vermessungshistorisch wird auch hier wieder deutlich, wie damals insbesondere militärische Interessen die Notwendigkeit der Kartenherstellung bewusst werden ließen. Seine mit großer Tiefe recherchierte, außerordentlich detailreiche Veröffentlichung in der Zeitschrift „Schlesische Geschichtsblätter“ löst ein hochinteressantes Geschehen in der Napoleonischen Zeit aus dem Dunkel der Geschichte. Neben den kartographischen Arbeiten sind dies exzentrische Persönlichkeitsmerkmale des Freiherrn von Massenbach, Themen von Staatsreformen, die Staatsschulden-Problematik u.v.a.m. – auch dies Themen von bleibender Aktualität.
Quellen: Manfred Spata: Christian von Massenbach (1758 – 1827) – ein preußischer Generalstabsoffizier in Schlesien, in Schlesische Geschichtsblätter, Zs. für Regionalgeschichte Schlesiens, 41. Jahrgang (2016), Heft 2 (August), Verein für Geschichte Schlesiens e.V. www.verein-fuer-geschichte-schlesiens.eu ; F.A.Z. vom 26.11.2016.
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