Das Feldmesserbuch des Hyginus Gromaticus
Der Autor Hyginus ist historisch nicht greifbar, sein Name ist nur durch sein Buch bekannt. Die Edition bietet eine erste deutsche Übersetzung des Feldmesserbuches, das in rund 140 lateinischen Handschriften des Mittelalters tradiert wurde. Der synoptisch gesetzte lateinische und deutsche Text enthält rund 130 teils farbige spätantike Illustrationen, die den jeweiligen beschriebenen Sachverhalt veranschaulichen. Eine ausführliche Einführung erläutert die philologischen Hintergründe und die Bedeutung für die Vermessungstechnik, Mathematik, Astronomie und Rechtsgeschichte der römischen Gromatica-Literatur. Ein knappes Glossar erläutert die lateinischen Fachbegriffe der Feldmesskunst. Zum Corpus Gromaticorum sei auf Klaus Grewes "Bibliographie zur Geschichte des Vermessungswesens" Nr.27, S. 6 verwiesen.
Der Hyginus-Text erschließt die geometrische und messtechnische Methode zur Konstruktion (Absteckung) eines Grenzliniensystems bei Kolonisierungen und Landzuweisungen. Dieses streng aufgebaute rechtwinklige Grenzliniensystem bildete die Basis für die römische Infrastruktur durch öffentliche und private Nutzung der Grundstücke. Die Feldmesskunst war bei den Römern eine technisch hoch entwickelte Disziplin, die von Fachleuten ausgeübt wurde, den gromatici und Agrimensori (Gromatiker und Agrimensoren). Bei der Anlage von Tempeln, Kastellen und Lagern sowie von Brücken, Kanälen, Aquädukten oder auch bei der Landzuteilung in Kolonien spielte die Kunst der Feldmesser eine grundlegende Rolle; ihre Geräte waren Gnomon, Groma und Längenmessgeräte.
Die römische, ursprünglich etruskische Feldmessung wird auf einen himmlischen Ursprung zurückgeführt und in einen kosmologischen Kontext eingebettet. In ihrem Zentrum steht die Festlegung der Vermessungs- und Grenzlinien, streng ausgerichtet nach den Himmelsrichtungen und aufgeteilt in ein gleichartiges quadratisches Liniennetz. Die Hauptbegriffe dabei sind decimanus und kardo (mit Ost-West- und Nord-Süd-Ausrichtung des Liniennetzes), limites und fines (Grenzlinien), centuriae (Grundstücke), termini (Grenzsteine) und servitutes (Grunddienstbarkeiten). Die Exaktheit der Vermessungsmethode und die aufwändigen Grenzvermarkungen sollen die Sicherheit der Eigentums- und Nutzungsverhältnisse sowie zivilrechtliche Streitvermeidung garantieren.
Noch heute künden die historischen Grundrisse der Städte am Rhein u. a. in Köln, Koblenz und Mainz von der römischen Gründungen; in Köln, Neuss und Bonn sind die Straßen der Legionslager noch im Stadtbild sichtbar. Etliche unserer heutigen Begriffe des Bodenrechts finden hier in der römischen Feldmesskunst ihre Wurzeln. Diese Edition ist ein Gewinn zur Erforschung der römischen Feldmesskunst; zur Lektüre sind aber Lateinkenntnisse hilfreich. Das Buch ist in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (WBG) in Darmstadt 2018 erschienen.
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