Die preußische Dreieckskette vom Rhein über Schlesien nach Memel

Zum Jahresabschluss blicken wir auf eine europaweite Arbeit von vor nahezu 200 Jahren. Dr. Rudolf Schmidt (ehemals Landesvermessungsamt NRW) hat in einer neuen Veröffentlichung die nur fragmentarisch vorhandenen Kenntnisse über eine wenig bekannte Triangulation von Schlesien bis nach Ostpreußen aus den Jahren 1827 bis 1834 zusammengetragen und gemeinsam mit deren (zeitlich vorher entstandenen) Müfflingschen Dreiecksketten vom Rheinland bis nach Schlesien (in den Raum Breslau und bis zum Riesengebirge) veröffentlicht (DGK- Reihe E Nr. 29, München 2007).

Originalunterlagen jener Beobachtungen waren nicht mehr vorhanden, auch keine zeitnahen Veröffentlichungen. Wesentliche Grundlage der Rekonstruktion jener alten Triangulation waren Aufzeichnungen vom früheren Direktor des Instituts für Angewandte Geodäsie Erwin Gigas. Rudolf Schmidt beschreibt die detektivische Kleinarbeit, die notwendig war, um das Wissen über diese Triangulation aufzuhellen. Diese Dreieckskette Schlesien-Ostpreußen wurde ein wesentlicher Baustein damaliger wissenschaftlicher europäischer Zusammenarbeit, erlaubte sie doch die von russischer wie von preußischer Seite erwünschte Verbindung mit russischen Arbeiten jener Zeit. In dem jüngst erschienen Buch von Wolfgang Torge (2007) ist eine besonders aussagekräftige kartographische Darstellung zu diesen Triangulationen abgebildet (dort S. 148), die auf der Grundlage der Arbeiten von Schmidt neu gezeichnet worden ist.  

Den vermessungshistorischen Hintergrund entnehmen wir ebenfalls dem neuen Buch von Wolfgang Torge, S. 155: "In Westrussland einschließlich Polen wird zu dieser Zeit unter General Karl Ivanovic von Tenner (1783-1839) eine militärische Landesaufnahme durchgeführt (1816 - 1837), die eine von Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793 - 1864), Direktor der Sternwarte in Dorpat und später (ab 1834) in Pulkuvo, veranlasste Breitengradmessung im Baltikum einschließt (Truck 1903). Bis 1855 werden diese Dreiecksketten dann zu einem von Hammerfest bis zur Donaumündung reichenden Meridianbogen erweitert - der "Struve-Bogen" wird übrigens 2005 in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen." (Der "Struve-Bogen" schließt jedoch nicht die Ostpreußische Gradmessung ein, er verläuft weiter östlich).

Besonders Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846) ist an dem angestrebten Zusammenschluss der mitteleuropäischen Triangulationen mit den russischen Arbeiten interessiert. Seine viel gerühmte Ostpreußische Gradmessung (1832 - 1834) wurde wesentliches Verbindungsglied und hat als abschließend beobachtete Triangulation der Dreiecksketten durch verbesserte Beobachtungsmethoden und -Instrumente eine hohe Qualität.   (Vergl. zu dieser Mitt. auch unsere Mitt. Nr. 222 (zu Torge) und zu Bessel 157, 25). - 

Wir können darüber hinaus dankbar mitteilen, Dr. Rudolf Schmidt hat uns  seine umfangreiche Privat-Bibliothek mit wertvollem vermessungshistorischem Schrifttum übergeben, die unser Bibliothekar Dr. Hartwig Junius als Sammlung Schmidt in die Bibliothek des Förderkreises eingliedert.

Quellen. Rudolf Schmidt: Die preußische Dreieckskette vom Rhein über Schlesien nach Memel 1817 - 1834, Reihe E der Veröffentlichungen der Deutschen Geodätischen Kommission, Heft Nr. 29, 43 Seiten, 1 Kartenbeilage, München 2007, ISBN 3 7696 9672 7, Wolfgang Torge: Geschichte der Geodäsie in Deutschland, 379 Seiten, 296 Abbildungen, gebunden, Walter de Gruyter, Berlin, New York, 2007, 118,00 € - ISBN 978-3-11-019056-4, S. Truck: Gradmessungen in Russland, ZfV 1903 S. 193-204.