Ein alt-ehrwürdiges Katasteramt
Damals – die 48-Stunden-Woche, Meßstangen-Transport am Fahrrad, Kurbelrechenmaschine, Lichtpausen mit Sonnenlicht oder Kohlenstablampe und Salmiak-Entwicklung, Wienecke-Ritzverfahren, Adler-Schreibmaschine DIN A3, Liegenschafts- wie Flurbuch als Folianten, Hand- und Ergänzungsrisse, Durchschreibe-Feldbücher, Geschäftsbuch C, legendäre Fortführungsanweisung II – nostalgische Erinnerungen. Lange noch ein dreistufiger Verwaltungsaufbau der Katasterverwaltung, gefürchtete Geschäftsprüfungen des Regierungspräsidenten. Allein z. B. in Niedersachsen gab es 64 Katasterämter. Sie sind Geschichte – Kataster- und Vermessungsgeschichte.
Der Autor dieser Zeilen hatte jüngst Gelegenheit, an einem Treffen der Ehemaligen eines Katasteramtes teilzunehmen – in dem er selbst vor über 50 Jahren den Vermessungsberuf begonnen hatte. Das Katasteramt Burgdorf wurde Ende 1975 zusammen mit den Ämtern in Springe und Neustadt in das Katasteramt Hannover eingegliedert. Seitdem, seit über 30 Jahren, treffen sich Ehemalige und deren Partner regelmäßig einmal im November: Techniker, Meßgehilfen, Beamte aller Ebenen, ehemalige Chefs, frühere Lehrlinge; sie kommen z.T. von weit her, wohin sie der Beruf später geführt hat. Traditionspflege, Berichte aus alter Zeit, von Höhepunkten bei pfundigen Betriebsfesten – damals Sonnabends nach 14 Uhr. Das Leben nach dem Beruf und dennoch im Miteinander. Und freundliche Erinnerungen an die damaligen Leiter des Katasteramts Burgdorf, bis 1964 Werner Möhlenbrink (1899 – 1996) und bis 1975 Jürgen Stumpf (1925 – 2005). – Ob es weitere solcher Treffen gibt? Der Corpsgeist jener alten Katasteramts-Zeiten läßt dies vermuten. Tatsächlich sind sie in Burgdorf realisiert, dank der unermüdlichen Initiativen von zwei Ehemaligen, Frau Brigitte Rheinhardt und Herrn Alfred Wendt. –
Heute gibt es in Niedersachsen nur noch 14 „GLLs“ (Behörden für Geoinformationen, Landentwicklung und Liegenschaften), die Regierungspräsidien sind aufgelöst – und die GLLs haben zwei Dienstherren, den Innenminister und den Landwirtschaftsminister. In Bremen wurde aus der Kataster- und Vermessungsverwaltung 1995 ein Wirtschaftsbetrieb, 2002 ein Eigenbetrieb. In Hamburg und Berlin wurden die Bezirksämter in die Zentrale eingegliedert. In mehreren Flächenländern wurde die gesamte Katasterverwaltung ein einziger Eigenbetrieb. –
Zeiten ändern sich. Der 1926 in Aurich in Niedersachsen geborene bekannte Züricher Philosoph und Publizist Hermann Lübbe hat dies in die Metapher der Gegenwartsschrumpfung gekleidet: „Der Zeitraum, in dem unsere Lebensverhältnisse eine gewisse Konstanz aufweisen (und den wir deshalb als Gegenwart begreifen), dieser Zeitraum wird immer kürzer“. –
Die Gegenwart schrumpft, auch in der „Kataster-Landschaft“, doch die Vergangenheit lebt fort.
- Der Kölner Dom und Benzenberg - vor 200 Jahren
- Die Landesvermessung im Spiegel deutscher Brauereien