Ein Brief von Gauß – und ein Zufallsfund zum 200-jährigen Fahrradjubiläum

In der jüngeren Vergangenheit haben wir mehrfach über das Wirken von und Erinnerungen an Carl Friedrich Gauß (1777 – 1855) berichtet. Ein aktueller Presseartikel, in dem ein Briefwechsel zwischen Gauß und einem Staatsrechtler erwähnt wurde, machte erneut neugierig.

„… Herr Barry (möge) bei jedem Stern die Anzahl der Beobachtungen, worauf sich die Position gründet, hinzufügen, weil man dadurch desto besser über den Wert derselben entscheiden kann. Piazzi und … haben es ebenso gemacht“, schrieb Gauß unter dem 17. Jan. 1811 an den berühmten badischen Staatsrechtler Johann Ludwig Klüber (1762 – 1837) ….ein doch ungewöhnlicher Adressat. Warum korrespondierte Gauß mit einem hohen Juristen?

Zum Hintergrund: Roger Barry wirkte seit 1790 als Hofastronom in Mannheim und war Gauß bekannt. Der Erlanger Professor Klüber war 1807 zum  Staats-und Kabinettsrat im Großherzogtum Baden berufen worden, hat am Wiener Kongress teilgenommen und u.a. die Akten des Wiener Kongresses in den Jahren 1814 und 1815 veröffentlicht. – Klüber bekam seit 1807 seitens der Badischen Regierung auch die Aufsicht über die Sternwarte in Mannheim. Nach den erheblichen Zerstörungen während der Napoleonischen Kriege auch dieser Sternwarte konnte Roger Barry seine früheren Beobachtungen mit dem Mauerquadranten von John Bird wieder aufnehmen (der Mauerquadrant war ein präzises Instrument zur Beobachtung von Sterndurchgängen im Meridian im 17. Und 18. Jahrhundert und lange das Hauptinstrument der Mannheimer Sternwarte). Barry erkrankte 1810 und starb 1813.

Angesichts der Erkrankung von Barry schrieb Klüber 1810 an Gauß mit Fragen, die den Barry’schen Sternkatalog betraf, u.a. zur Nummerierung der Sterne. Gauß ging in seiner Antwort zunächst auf diese letztlich jedoch „als gleichgültig“ eingestuften Fragen ein, um dann zu antworten wie eingangs zitiert. – Gauß vergaß jedoch nicht hinzuzufügen, „Ich wünsche sehr, daß Hrn. Barry’s Spezialtafeln der Nutation … nicht umkommen mögen, sondern gedruckt werden,“ wohl Ausdruck der Wertschätzung für den erkrankten Astronomie-Kollegen. – Letztlich blieben die zahlreichen Beobachtungen Barry’s mit dem Mauerquadranten unpubliziert, da sie von seinen Nachfolgern als nicht mehr zeitgemäß eingestuft wurden.

Auf die mitgeteilte kleine Geschichte wurden wir aufmerksam, als die F.A.Z. am 10. Juni schrieb, „Es sind blos zwei Räder“. Eine Archivarin im Generallandesarchiv Karlsruhe, dem Gedächtnis des badischen Landesteils, war auf der Suche nach Unterlagen zur „Laufmaschine“, dem Urtyp des Fahrrads, der „Draisine“, den der Mannheimer Forstmeister Karl Freiherr von Drais erfunden hatte und am 12. Juni 1817 mit einer Fahrt zwischen Mannheimer Innenstadt und der 7 km entfernten Poststation vorgestellt hatte – mit 14 km/h – vor 200 Jahren. Die Archivarin fand nicht nur jene Unterlagen mit interessanten Skizzen – sondern eben auch den o.a. Schriftwechsel Klüber-Gauß, der uns gerne zur Verfügung gestellt wurde. – So entstand daraus eine kleine Sommergeschichte mit gauß-geodätischen Ratschlägen zur Genauigkeit von Beobachtungen – und einem aktuellen Jubiläum.

Quellen: Hans-Eberhard Lessing: „Es sind blos zwei Räder“ – Rechtzeitig zum 200. Jubiläum des Fahrrads findet eine Archivarin einen Augenzeugenbericht über eine Probefahrt, in F.A.Z. vom 10. Juni 2017, S. 9; Wikipedia zur Sternwarte Mannheim und zu Johann Ludwig Klüber.