Einführung des Europäischen Datums 1950

Vor 70 Jahren wurde das geodätische Referenzsystem „Europäisches Datum 1950 (ED 50)“ vom US-Army Map Service (AMS) für seine militär-kartographischen Zwecke in Europa (NATO-Standard) eingeführt.

Das ED 50 gründet auf dem Europäischen Dreiecksnetz 1950 (Réseau Européen), das den gesamten politischen Raum Westeuropa umfasst, aufgeteilt in fünf trigonometrische Netzblöcke für Nord-, Mittel-, Südost- und Südwesteuropa sowie Britannien. Kernstück bildet das Zentraleuropäische Netz (ZEN), das in Form eines Rahmennetzes den gesamten mitteleuropäischen Raum zwischen Utrecht und Straßburg im Westen bis Dünaburg und Rowno im Osten sowie zwischen Nord- und Ostsee und den Alpen überdeckt. Das Beobachtungsmaterial hatte die Trigonometrische Abteilung des Reichsamts für Landesaufnahme (RfL) unter der Leitung von Erwin Gigas (1899-1976) zusammengetragen, die kriegsbedingt bereits an der „Geodätischen Integration Europas“ der deutschen Heeresvermessung unter der Leitung des Generalleutnants Gerlach Hemmerich (1879-1969) beteiligt war. Die Vielfalt der geodätischen Grundlagen in den verbündeten, befreundeten und besetzten Ländern hatte schon nach 1940 zur Schaffung des „Deutschen Heeresgitters“ in Gauß-Krüger-Projektion mit 6 Grad breiten Meridianstreifen geführt.

Die Ausgleichungsarbeiten des ZEN erledigte 1945/47 das vom AMS geschaffene „Central Survey Office (CSO)“ in Bamberg; es bestand aus Fachleuten des nach Friedrichroda in Thüringen evakuierten RfL. Dort hatte der US-Army-Major Floyd Hough (1898-1976), Leiter eines geheim arbeitenden Military Intelligence Team (Houghteam), die Trigonometrische Abteilung (Personal und Material) unter militärischen Schutz gestellt sowie in Saalfeld das gesamte Milgeo-Material der deutschen Heeresvermessung konfisziert. Hough war Leiter der Geodätischen Abteilung des AMS; er übernahm den von Hemmerich und Gigas entwickelten Plan eines europaweit einheitlichen geodätischen Datums als strategisches Hilfsmittel des in Europa agierenden Militärs. Im Mai 1945 beauftragte Hough Gigas mit der Berechnung des ZEN. Die Rechenarbeiten standen unter der Leitung des jungen Geodäten Helmut Wolf (1910-1994). Da eine strenge Ausgleichung des gesamten Flächennetzes ZEN mit den damaligen Rechenhilfsmitteln (Tischrechenmaschinen, Logarithmentafeln, Funktionstafeln) zeitlich nicht machbar war, konzentrierte man sich auf die schrittweise Lösung eines Rahmennetzes nach der Bowie-Methode, in das nachträglich die Füllnetze eingerechnet wurden. An das ZEN wurden bis 1950 die anderen vier Netzblöcke angefeldert. Bedingt durch den großen US-Einfluss beruht das ED 50 auf dem Internationalen Ellipsoid von 1924 (Hayford-Ellipsoid).

Fundamentalpunkt ist der Helmert-Turm des Geodätischen Instituts auf dem Potsdamer Telegrafenberg; dessen ellipsoidische Koordinaten stammen aus einer Lotabweichungsausgleichung von 107 Laplace-Punkten.

Dieses ED 50 war bis 1993 die geodätische Grundlage des gesamten NATO-Kartenwerks, insbesondere der Standardkarte M745 im Maßstab 1:50 000. Als Abbildung wählte man die Universale Transversale Mercator-Projektion (UTM-System) mit 6 Grad breiten Meridianstreifen und dem Maßstabsfaktor m0 = 0,99 96. Später diente das ED 50 auch anderen internationalen Kartenwerken als Grundlage. Viele zivile Stellen arbeiten mit dem UTM-Meldegitter. Zwei Jahrzehnte später wurde das ED 50 zum ED 79 und ED 87 erweitert; Ausgangspunkt für deren Berechnungen war der TP München, Frauenkirche. Die Koordinatenergebnisse fanden keinen Eingang in die Praxis der Landesvermessung; sie wurden lediglich für wissenschaftliche Zwecke verwendet. Seit 1994 löst das ETRS89-Datum das ED50-Datum bei allen militärischen NATO-Kartenwerken ab (siehe Mitt. 731).

Ende August 1950 verlegte die US-Army das CSO, inzwischen umbenannt in „Institut für Erdmessung (IfE)“, nach Frankfurt am Main; dies war verbunden mit einer weiteren Namensänderung in „Institut für Angewandte Geodäsie (IfAG)“, einer Aufgabenerweiterung für die neuen Bundesbehörden und einer Finanzierung durch das Bundesinnenministerium. (Lang, Vermessungs- und Kartenwesen, 2008; Spata, UTM-Abbildung in der deutschen Landesvermessung, 2013; Miller, Behind the Lines, Smithsonian magazin 2019).