Erinnerungen an Dr. Theo Gerardy – geboren vor 100 Jahren

Wir erinnern aus Anlaß seines 100. Geburtstags an Dr. Theo Gerardy, einen ungemein breit interessierten und engagierten Geodäten – in der Katastererneuerung, in der Vermessungstechnik, dem Lochkartenkataster, in der Grundstückswertermittlung, als Wasserzeichenforscher – und an eine ungemein liebenswürdige Persönlichkeit, die mit ihrem rheinischen Idiom in Niedersachsen ältere wie junge Kollegen zu begeistern verstand.

Geboren am 3. August 1908 in Essen, führte ihn der Berufsweg über das Studium an der  Landwirtschaftlichen Hochschule in Bonn 1930 zur Landmesserprüfung, 1933 in die Preußische Katasterverwaltung, es folgten Stadtneumessung Bitterfeld, Katasteramt Syke und seit 1939 Heeresdienst. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam er über die Katasterämter Neustadt a. Rbge., Nienburg, dem RP Hannover schließlich zum Katasteramt Hannover, das er über 20 Jahre leitete. Für viele in unserer Fachrichtung ist Theo Gerardy aber insbesondere als „Bewertungspapst“ in Erinnerung. Sein weit verbreitetes Standardwerk „Praxis der Grundstücksbewertung“ erlebte mehrere Auflagen. Seit 1984 wurde das Werk von dem Berliner Bewertungsexperten Rainer Möckel zunächst als Mitautor, seit 1986 als Herausgeber weitergeführt und erscheint als Loseblatt-Sammlung. Theo Gerardy war ein früher Verfechter des Vergleichswertverfahrens, Gutachtenbegründungen sollten nicht nur nachvollziehbar sein, sie müssen überzeugen. Verfasser dieser Zeilen erinnert sich an immer wieder geradezu freundschaftliche Unterweisungen in der Referendarzeit. Unvergessen Grundstücksbesichtigungen bei Reihenhäusern als Vergleichsobjekten in Hannover, „wie sie insbesondere in Bremen weit verbreitet sind“ – über 40 Jahre liegt das zurück.

Theo Gerardy hatte sich durch seine großen Fähigkeiten und Verdienste auch in seiner aktiven Dienstzeit Freiräume für seine vielfältigen Interessen und Engagements geschaffen. „Er hat seine Dienststelle hervorragend im Griff, selbst wenn er nicht immer vor Ort ist“ – lobte der leitende Dezernent Prof. Werner Engelbert dessen breites Engagement, das für den Beruf des Geodäten so wertvoll war.  Bereits 1952 wurde er an der TH Hannover mit einer Arbeit über die Gauß’sche Triangulation 1821–1844 promoviert, schon hier legte er die Grundlagen für spätere Forschungsaktivitäten. Denn weit über die Grenzen der Katasterverwaltung hinaus machte sich Theo Gerardy neben der Grundstücksbewertung auch einen Namen in der Erforschung des Alters von Papieren (ursprünglich ausgelöst, um im Nachlaß von C. F. Gauß dessen viele Zettel-Notizen zeitlich einzuordnen); Gerardy wurde als Vizepräsident in die Internationalen Assoziation der Papierhistoriker berufen.

Dr. Gerardy hat zahlreiche Ehrungen erfahren, u. a. die Verleihung der Medaille für besondere Verdienste  für das deutsche Immobilienwesen durch den Ring Deutscher Makler, die Ehrenmitgliedschaft in der Gauß-Gesellschaft in Göttingen und die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande. Theo Gerardy verstarb am 19. Juni 1986 an den Folgen eines Herzinfarktes. Quellen: Hans Knoop: Leitender Vermessungsdirektor a. D. Dr.-Ing. Theo Gerardy 70 Jahre alt, ZfV 1978 S. 412-413; Rainer Möckel: Ltd. Vermessungsdirektor a. D. Dr.-Ing. THEO GERARDY gestorben, Allgemeine Vermessungsnachrichten AVN 1986 S. 463-464.