Erinnerungen an Harry Pahl

Der hanseatische Geodät Harry Pahl ist am 7. Mai verstorben. Damit verstummte ein wacher und stets vorwärtsstrebender Geist, der im Februar d. J. sein 90. Lebensjahr vollenden konnte.

Bis in die jüngste Zeit waren Gespräche mit ihm geprägt von seinen stets aktuell durchdachten Ideen und Überlegungen um unseren Berufsstand und dem des Ingenieurs im Vermessungswesen. So beurteilte er den sogenannten Bologna-Prozess mit der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen stets außerordentlich skeptisch. Der deutsche Diplomingenieur in unserer traditionellen Fachrichtung war für ihn ein besonderes Markenzeichen, er verfolgte die Initiativen von dessen (notfalls ergänzenden) Wiedereinführung mit großem Interesse. Lebhaft setzte er sich auch nach seiner Pensionierung 1990 für den Berufsstand ein, lange auch als Geschäftsführer der dem Nachwuchs gewidmeten Nico-Rüpke-Stiftung. Gerne hat sich Harry Pahl mit geschliffenen Formulierungen gegen jede Herabsetzung der eigenen Institutionen und  basisgebenden Werke unserer Informationssysteme gewehrt. So auch in einer Philippika, geritten gegen die geringschätzende Verwendung des „Katasteramtes“ und die oberflächliche Verwendung des „Vermessers“ – u. a. seinerzeit 1988 im Hinblick auf eine abwertende Aussage in der Wochenzeitung DIE ZEIT – dort wollte ein bekannter Journalist einen Redenschreiber für den damaligen Bundespräsidenten abqualifizieren, indem jener schrieb: „… ein Referent, dessen Feingefühl ihn für den Dienst bei einem entlegenen Katasteramt bestens empfiehlt.“ Und  Harry Pahl fragte dann selbstkritisch, ob das Versäumnis der Selbstdarstellung auch bei uns liegen könne und schrieb „Ich bekenne mich jederzeit gerne zum Landmesser, Geometer, Vermessungstechniker, Vermessungsingenieur oder umfassend zum Geodäten“ – siehe unsere Mitt. Nr. 396.

In den Gremien unserer Fachrichtung, in seiner Mitarbeit in den Arbeitskreisen Kartographie, Grundsatzangelegenheiten und im Plenum der AdV befruchtete Harry Pahl die Technikentwicklungen vor dem Hintergrund des höchst modern ausgerichteten Vermessungsamtes in Hamburg und unterstütze lebhaft die damaligen Entwicklungen ALB, ALK, SAPOS. Und der Autor dieser Zeilen erinnert sich an eine Autofahrt in Hamburg in den 80iger Jahren, erstmals computerunterstützt den Fahrweg auf einem Bildschirm nachführend, eine Demonstration  eines Vorläufers der heutigen Navigationssysteme.  – In der Fachkommission des Deutschen Städtetages  „Kommunales Vermessungs- und Liegenschaftswesen“ sorgte Harry Pahl für die Einrichtung eines ständigen Tagesordnungspunktes „Neue Technologien und ihre Auswirkungen im Vermessungswesen“ und lieferte gerne selbst wertvolle Beiträge. Seine Veröffentlichungen in den Fachzeitschriften kreisten neben Entwicklungen in der modernen Technik gerne  auch um den Themenbereich der gesellschaftlichen Bewertung unseres Berufsstandes,  besonders erwähnt sei hier sein Aufsatz „Quo vadis, res geodaetica“ im Forum des BdVI  2/1997. Und noch kürzlich berichtete er in einem Gespräch begeistert von den so positiven Entwicklungen, wie sie in der Kooperation von Oberprüfungsamt und Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS)  seit dem vergangenen Jahr  vereinbart sind – und erzählte von dem ihn so erfreuenden Schriftwechsel mit Klaus Kummer, dem Autor jenes Berichts in der zfv 2015 S. 129ff. –

Der frühere Hamburger Erste Baudirektor a.D. Dipl.-Ing. Harry Pahl –  stets ein streitbarer Geodät, ein Diplomingenieur der alten Schule. Am 6. Februar 1926 in Altona geboren, Luftwaffenhelfer 1943 und noch ab 1944 zur Wehrmacht in den Kriegsdienst eingezogen, wurde er in Russland als junger Soldat verwundet und ist 1945 in russische Gefangenschaft geraten. – Nach dem Krieg lag Deutschland in Trümmern. So hatte jene Generation, um überhaupt eine Hochschulzulassung zu bekommen,  Aufbaudienste zu leisten, die Harry Pahl in einer Ziegelei absolvierte. Und um einen Studienplatz zu bekommen, gab es weitere Hürden, für ihn eine besondere Prüfung bei Professor Harbert (1882-1968)  an der Technischen Hochschule Braunschweig. Nach dem  Diplomexamen dann 1952 in Hannover, folgten die Referendarzeit in Schleswig-Holstein und die Arbeit in mehreren Katasterämtern. 1959 trat er in den Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg, wirkte dort im Vermessungsamt als Abteilungsleiter Kartographie und dann Grundsatzangelegenheiten, schließlich als Nachfolger von Erich Lämmerhirt von 1983 bis1990 als Erster Baudirektor in der Leitung des Vermessungsamtes der Baubehörde. Entsprechend seinem berufsständisch-gesellschaftlichen Anliegen engagierte er sich im DVW-Landesvorsitz  Hamburg/Schleswig-Holstein, war Prüfer und stellvertretender Abteilungsleiter im Oberprüfungsamt für die Höheren Technischen Verwaltungsbeamten in Frankfurt a.M.

Nach seiner Pensionierung arbeitete er noch bis ins hohe Alter gerne an seinem PC, sandte seinen Freunden und Bekannten exklusive Features, Lebensmut und Lebensweisheit vermittelnd. Er war andererseits gerne handwerklich tätig, half seinem Sohn aktiv in dessen Steinmetzbetrieb, gestaltete seinen Hausgarten zusammen mit seiner Frau nach ganz eigenen Vorstellungen. Wenige Wochen nach Vollendung des 90. Lebensjahres ist er in Wedel bei Hamburg an einem Herzschlag verstorben – bei Arbeiten im eigenen Garten. In einer würdigen Trauerfeier am 17. Mai begleiteten die Familie, Freunde und Kollegen Harry Pahl zur letzten Ruhe. Uns bleibt  die Erinnerung an einen unermüdlich vorwärtsstrebenden Geodäten.