Erinnerungen an Hermann Ascher

In einer ausführlichen Dokumentation von Prof. Dr.-Ing., Dr. h.c. mult. Erich Weiß wird uns mit Hermann Ascher eine Persönlichkeit nahegebracht (und so vor dem Vergessen bewahrt), die ein Kapitel hoher Bodenordnungskunst im weitesten Sinne vor etwa 100 Jahren gestaltet hat.

Damals entfaltete ein höherer preußischer Verwaltungsbeamter in Westfalen vielfältige Aktivitäten mit nachhaltigen Wirkungen: Hermann J. A. Ascher, geboren in Minden/Westfalen am 4.9.1844 in einer Familie mit jüdischen Wurzeln, gestorben am 15.9.1931 in Münster, Präsident der Königlich-Preußischen Generalkommission zu Münster von 1893 bis 1919.

Die Generalkommissionen waren in der Folge der Stein-Hardenberg´schen Reformen entstanden (vergl. unsere Mitt. Nr. 274). Als Folge der Neuregelung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse in den Agrarreformen während der Bauernbefreiung des 19. Jahrhunderts hatten die Generalkommissionen, vor allem in den östlichen Provinzen Preußens, weitreichende Befugnisse, die die Eigentums- und Nutzungsverhältnisse und damit das Leben der ländlichen Bevölkerung nachhaltig veränderten. Für die Generalkommissionen, vor allem in den westlichen Provinzen Preußens, waren spezielle landeskulturelle Aufgabenstrukturen entstanden, die insbesondere die Gestaltung der Gemeinheitsteilungen und Zusammenlegungen sowie die Reallasten- und Servitutsablösungen prägten, mündend in vielfältigen Bodenordnungsmaßnahmen, wie Generalteilungen, Spezialteilungen, Separationen.            

Bis zu seiner herausragenden Aufgabe als Präsident der Generalkommission zu Münster hat Hermann Ascher einen bewegten Lebens- und Berufsweg beschritten. Nach ausgedehnten Studienaufenthalten in Heidelberg und Berlin wurde er 1867 Kammergerichtsreferendar in Berlin/Brandenburg, war Kriegsteilnehmer am Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, wurde ab 1871 Kreisrichter in Senftenberg, 1873 Zweiter Bürgermeister von Naumburg (Saale). Im Oktober 1874 trat er wieder in den Justizdienst ein und wurde mit der Verwaltung einer Gerichtskommission in Fürstenwalde beauftragt; ab 1875 wirkte er als Kreisrichter in Züllichau. Im Jahre 1878 wurde er aus dem Justizdienst in die Landeskulturverwaltung übernommen und wirkte zunächst als Spezialkommissar in Höxter. Im Jahre 1881 wurde Herman Ascher als etatmäßiges Mitglied der Königlichen Generalkommission in Münster berufen. Nach einer Reihe von ehrenvollen Aufgaben wurde er 1887 zum Oberregierungsrat und ständigen Vertreter des Präsidenten befördert und schließlich im Jahre 1893 zum Präsidenten der Königlichen Generalkommission zu Münster berufen sowie vom damaligen Oberpräsidenten der Provinz Westfalen, Heinrich Konrad von Studt (1838 – 1921) feierlich in sein Amt eingeführt. Er wirkt in diesem hohen Amt bis 1919 - über 26 Jahre. Nicht erspart blieben der Familie dieses verdienstvollen Mannes in späteren Jahren gleichwohl noch nationalsozialistische Nachstellungen.

Erich Weiß hat die Persönlichkeit von Hermann Ascher, seinen Werdegang, die Vielfalt seiner Aufgaben in mehrjähriger intensiver Archiv-Arbeit intensiv erforscht und im vergangenen Jahr 2011 dokumentiert.

Wie wir es von unserem viele Jahre für den DVW im Vorstand unseres Förderkreises mitwirkenden Kollegen kennen und schätzen, hat er auch in dieser Veröffentlichung wieder (vergl. u.a. Mitt. Nr. 401 zu Franz Adickes) nicht nur die Persönlichkeit und die Familie, sondern auch zahlreiche Wegbegleiter von Hermann Ascher mit deren besonderen Verdiensten und ihren Lebensdaten ausführlich herausgearbeitet. Fotos handelnder Personen und informative Kartenbeispiele illustrieren damalige Aktivitäten – so auch ein Zusammenlegungsverfahren in der südöstlichen Feldmark von Dortmund zu Beginn des 20.Jh. im Vergleich zur heutigen städtischen Bebauungssituation. Über die Bodenordnungsarbeiten in der Provinz Westfalen wird u. a. berichtet, in den 26 Jahren des Wirkens von Hermann Ascher sind in 400 Zusammenlegungsverfahren rd. 190.000 ha neu geordnet worden, die Anzahl der Grundstücke wurde dabei von 477.600 auf 138.600 reduziert.

Diese Arbeit von Erich Weiß zeigt ein vielfältiges und vielgestaltiges Bild der unterschiedlichsten Probleme und ihrer Bewältigung in einer intensiven Umbruchsphase vom Agrarstaat zum Industriestaat ebenso wie von den zahlreichen handelnden Personen: Bodenordnung als gesellschaftspolitische Aufgabe im ausgehenden 19.Jh. / beginnenden 20. Jh. am Beispiel der Generalkommission zu Münster. Diese umfassende Veröffentlichung ist zugleich auch eine Hommage für eine Institution, in dessen späterer Nachfolgebehörde Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Erich Weiß bis 1990 bodenordnend tätig war.

Quellen: Erich Weiß: Hermann Ascher – ein Präsident der Königlich-Preußischen Generalkommission zu Münster im Wandel der Zeit in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, des LWL-Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, des LWL-Amtes für Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen und der LWL-Archäologie für Westfalen, 89. Band 2011 – Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde, S. 229 – 272; erschienen im Aschendorff-Verlag Münster im Februar 2012.