Im Spannungsfeld zwischen Ost und West 1945 bis 1952
Sein Bericht beginnt am 8. Mai 1945: „Ist dies wirklich noch eine Großstadt? Keine Straßenbahn fährt, kein Autobus, keine Stadt- und Ringbahn und keine Untergrundbahn. Ausgebrannte Wagen liegen herrenlos auf den Straßen herum. Fahrräder sind ohne Bereifung.“ Sämtliche Instrumente des Vermessungsamtes werden von den Russen abtransportiert. – Tage später: Prof. Scharoun übernimmt alle technischen Aufgaben der Stadtverwaltung, den Hoch- und Tiefbau, das Planungs- Vermessungs- Gartenwesen, die Baupolizei und das Wohnungs- Miet- und Pachtwesen. Das (ausgelagerte, wohl vernichtete) Vermessungswerk wird nie wieder zur Verfügung stehen. „Eigenartiger Weise aber geht die Besinnlichkeit darüber, daß ein in 50 Jahren von etwa 100 Technikern geschaffenes Musterwerk, welches einen Wert von mindestens 6 Millionen Goldmark darstellt, verloren ist, und daß man in Zukunft gerade für die besonders stark zerstörten Gebiete der Innenstadt mit einem Behelfswerk wird auskommen müssen, nicht sehr tief bei den meisten Mitgliedern des Amtes. Denn vorerst herrscht ein recht nüchterner „Existenzialismus“: Weiterleben und an gewohnter Stätte wieder arbeiten können“.
Ein erster Großauftrag: die Herstellung eines Schadensplanes für das Gesamtgebiet von Groß-Berlin. Stadtrat Scharoun fordert den Einsatz aller verfügbaren Kräfte für diese Aufgabe. Alarmruf: "Vermessung, kannst Du uns einen Plan herstellen, in dem der angerichtete Schaden optisch nachgewiesen wird, aus dem Umfang und Schwere der Zerstörungen abgelesen werden können? Eile tut not!“ Dieser Notruf kommt vom Hochbau, vom Tiefbau, von der Planung, vom Verkehr, ja sogar von der Finanzverwaltung, er kommt von den Werken, von der Grundstücksverwaltung, von den Stadträten, ja selbst von den Besatzungsbehörden. Andererseits ist beim Einsatz des wenigen Fachpersonals notwendig zu unterscheiden zwischen (zu entlassenden) belasteten und harmlosen Nazi-Parteigängern.
Doch bald treten selbst in diesen Notzeiten die im Vermessungswesen so beliebten Vorschriften in den Vordergrund. Bereits im Januar 1946 wird in der monatlichen Amtsleiterkonferenz im Hauptamt die Herausgabe einer zweiten Stadtkatasteranweisung beraten, um die Zulassung von Ö.b.V.I. und die Meßgenehmigungen für urkundliche Vermessungen zu regeln. Da das Hauptamt für den Raum von Groß-Berlin die Nachfolge der bisherigen Hauptvermessungsabteilung IV für Berlin angetreten hat, liegt bei ihm die erste Rechtsstufe für die Durchführung der Berufsordnung vom 20.1.38. Zugelassen sollen alle bisher in Groß-Berlin amtierenden Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure werden, sofern sie nicht Parteigenossen waren (siehe auch unsere Mitt. Nr. 230). Fachschulingenieure müssen eine zehnjährige Praxis nachweisen, um eine Meßgenehmigung zu erhalten. Und auf der Amtsleiterkonferenz werden die Schwierigkeiten erörtert, die durch den Einspruch des Preisamtes gegen die geplante Erhöhung der Katastergebühren entstanden sind. „Diese Gebühren decken bekanntlich in keiner Weise den technischen Aufwand“.
Lehrabschlußprüfungen werden wieder für die Lehrlinge aller Berufe eingeführt. Schon seit langer Zeit wird eine gar nicht mehr zu verantwortende „Lehrlingszüchterei“ betrieben, denn viele Vermessungsbüros werben für ihre Bodenreformvermessungen keine Arbeiter als Meßgehilfen an, sondern die billigen Lehrlinge. Und Lehrlinge melden sich auch in großer Zahl. Es hat sich herumgesprochen, daß es bei den Vermessungen für die Landaufteilung etwas zu essen gibt…... Auch die erheblichen Sorgen Tage und Stunden vor Beginn der Interzonalen Geodätentagung in Berlin 1947, deren Abbruch drohte, ist hier ausführlich nachzulesen. Ab 1. 12. 1948 ist das Berliner Vermessungswesen nach West und Ost geteilt (Vergl. unsere Mitt. Nr. 202).
In den über 1100 Seiten sind zahlreiche Zeitzeugen und deren Handeln erwähnt, so u. a. Dr. Adenauer (Köln), H. Ahrens, Professor Baeschlin, Schweiz, Dr. W. Bonczek, Prof. Dr. Brennicke, H. Draheim, Ewringmann (Köln), E. Gigas, Prof. Dr. Finsterwalder, Prof. Dr. Großmann, Prof. Dr. Harbert, Heckmann (Mannheim), Hinterthür (Essen), Prof. Dr. Hunger, Hundeck (Hannover), Prof. Dr. Kneißl, Kurandt (Wiesbaden), Prof. Dr. Lacmann, Neddermeyer (Hannover), Overhoff vom Ruhrsiedlungsverband, Prof. Dr. Pinkwart, Prof. Dr. Ing. Richard Finsterwalder (Hannover), E. Reuter (Berlin 9.9.1948 – „Bürger schaut auf diese Stadt“), Dr. H. Röhrs (Bremen), Ö.b.V.I. Schmidt, Sefranek (Nürnberg), Ö.b.V.I. Slawik, Zörner (Frankfurt a. M.) und viele andere. Im Anhang der Schrift sind einige Photos aus jenen Jahren wiedergegeben. -
Das Werk von Edmund Braune liefert ein plastisches Bild jener Not- und beginnenden Wiederaufbauzeiten, der Organisation der Vermessungsverwaltung in Berlin. Der Bericht ist zusätzlich eingebettet in eine faktenreiche Schilderung der allgemein-politische Situation jener von heftigen Auseinandersetzungen zwischen Ost und West geprägten Zeit, 2-Dpf-Notopfer Berlin, der Blockade von Berlin und der Luftbrücke der Alliierten 1948/49 – Der Berliner hielten durch, doch „…auf ein weiteres Abholzen seiner Wälder reagiert der Berliner sauer. Trotz aller Sorge vor dem kommenden Winter will er lieber auf das Holz verzichten, als seinen Wald verlieren. Bis jetzt hat er alle durch die Blockade ihm auferlegten Schwierigkeiten mit Geduld getragen, selbst mit der Aktion "Storch" durch welche mehr als zehntausend Kinder in Flugzeugen aus Berlin nach Westdeutschland abgeflogen werden, um sie vor den Unbilden des nahen Winters zu schützen und besser verpflegen zu können, ist er schweren Herzens einverstanden….“
Und auch fachlich verlief in jenen Jahren nicht alles stets kollegial, in der Schrift facettenreich, durchaus subjektiv und eben menschlich dokumentiert. Fragen fachlicher Weichenstellungen, u. a. im Liegenschaftswesen, die Entscheidung für die weitere Verwendung des Soldner-Koordinatensystems Müggelburg (anstelle von Gauß-Krüger-Koordinaten), bedingt durch die Lage auf einem Grenzmeridian und fußend auf einem Gutachten von Prof. Hunger, auch die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Städtetag, das Für und Wider der Kommunalisierung des Katasters, der Aufbau des DVW: Edmund Braune war erkennbar eine außerordentlich überzeugende und notabene überzeugte Persönlichkeit.
Der Bericht endet im März 1952: „Mein Nachfolger, Kollege Dräger hat heute seinen Dienst in unserer Verwaltung angetreten. Es bleiben mir also nur vier Wochen Zeit … eine sehr begrenzte Zeit, wenn man bedenkt, dass es nicht nur um die Einführung in die technischen Aufgaben geht, sondern um die Einfühlung in den Rhythmus der Berliner Verwaltung ….., um die Handhabung der Aufsichtsbefugnisse des Ausbildungswesens, und um ein Bekanntwerden mit allen Persönlichkeiten der Bau- und Finanzverwaltungen. Wir haben hier zwei ganz verschiedene Atmosphären zu beachten, die Belange des Landesvermessungswesens und die Aufgabenstellung des kommunaleren Dienstes“. -
Wir können hier nur einige wenige Mosaiksteine dieses ganz besonderen historischen Zeugnisses kurz anreißen. Der Bericht ist eine Fundgrube historischer Fakten nicht nur für Berlin sondern (damals) zonenübergreifend. Es ist außerordentlich verdienstvoll, wie der Kollege Günther Bolze sich über Jahre der Aufgabe gewidmet hat, diesen Schatz zu heben. – Interessenten können sich wenden an den Autoren der CD, Günther Bolze, eMail G.Bolze[at]t-online.de.
Der Förderkreis Vermessungstechnisches Museum dankt Herrn Bolze nicht nur für die Übergabe der CD sondern besonders für ein vollständiges Druckexemplar für die Bibliothek des Förderkreises.
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