Interzonale Geodätentagung Berlin 1947 – vor 60 Jahren

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs: Deutschland lag in Trümmern, war aufgeteilt in 4 Besatzungszonen – amerikanische, britische, französische und russische Zone. Auch Berlin war viergeteilt. Der ‚kalte Krieg’ hatte schon begonnen. Noch im letzten Augenblick war die Durchführung der Berliner Geodätentagung gefährdet. Nur Monate später ordnete die Sowjetunion die Blockade der Westsektoren an (am 24. Juni 1948, die Westmächte organisierten die Luftbrücke nach Berlin). In dieser Situation trafen sich zahlreiche Berufsangehörige – eingeladen vom Leiter der Berliner Vermessungsverwaltung Edmund Braune - vom 8. bis 12. September 1947 zur interzonalen Geodätentagung.

In der Technischen Universität – begrüßt von Prodekan Prof. Dr. Erich Brennicke – wurde das Vortragsprogramm weitgehend von Berliner Kollegen bestritten.  Die beamteten Kollegen aus der russischen Besatzungszone wurden an der Teilnahme gehindert. Reise und- Paßschwierigkeiten behinderten eine breite Teilnahme auch aus den anderen 3  Besatzungszonen. Dennoch waren eine Reihe von Kollegen gekommen, u. a. E.  Doerpinghaus (Dresden), Prof. Dr. W. Großmann (Hannover), H. Heckmann (Mannheim), W. Lohrberg (Hannover), Dr. O. Pirkel (Köln), K. Schmelz (Stuttgart), W. Ufer (Aachen). Insgesamt haben etwa 400 Berufsangehörige aller Richtungen teilgenommen. Die Kurzvorträge und die intensiven Diskussionen sind in einer Schrift hervorragend dokumentiert. Schon deren äußere Erscheinung läßt die Not jener Tage erkennen: 80 vergilbte Seiten, engst bedruckt „sparsamste Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Papierformats“, wie es einleitend heißt unter „das Gesicht dieses Buches“ – dennoch eine historische Kostbarkeit, die den Wiederbeginn im Vermessungswesen vor 60 Jahren dokumentiert. Zusätzlich liegt ein zeitgenössisches Protokoll vor.

Es war ganz offenbar eine lebendige, von Aufbruch gekennzeichnete interzonale Tagung – „ein erster Aufruf zur Selbstbesinnung“ (Großmann). Vieles von dem, das uns in den folgenden Jahrzehnten prägte und bewegte war hier schon in 18 Tagesordnungspunkten vorgedacht, ja vorgeprägt – durch die Ausrichtung in Berlin mit deutlichem Schwerpunkt auf dem großstädtischen Vermessungswesen, nachfolgend holzschnittartig angedeutet:  

Vermessung und Liegenschaftswesen in einem Amt – Kommunalisierung des Katasters – Enge Verzahnung von Vermessung und Planung, insbesondere bei Baulandumlegungen – Qualifizierter Lageplan – Mitwirkung und Ausbau des privaten Vermessungswesens – Einheitlichkeit der Organisation im gesamten deutschen Vermessungswesen (im Themenkomplex 6-7-8 „Landesvermessungsämter – Kreisvermessungsämter – Vermessungsbeirat als Spitze des deutschen Vermessungswesens“) – Arbeitsgemeinschaften und Zulassungsbezirke für öffentliche Vermessungsingenieure –  aber auch (nach dem totalen Zusammenbruch) die Wiederbegründung wissenschaftlicher Vereine und Zeitschriften.

Die Gründung mehrerer Fachausschüsse wurde vorgeschlagen, so auch ein Ausschuß im Bereich Stadtvermessung und Kataster, der Diedrich August Overhoff aus Essen angetragen wurde (Vergl. auch unsere Mitt. Nr. 192).

Ein ganzer Verhandlungstag (11.9.47) war dem Thema „Um den Nachwuchs im Vermessungswesen“ gewidmet: Prüfungsämter für die zweite Staatsprüfung – Berufsbild für den mittleren Vermessungsdienst – Arbeitsteilung zwischen Akademiker und Mittelschultechniker, mit breit gefächerter Diskussion zur  Rolle des Ingenieurs für Vermessungstechnik und des (Universitäts-) Diplomingenieurs – Kartographie als ureignes Gebiet der Geodäsie – Preisstellen für Grundstücke, Kriegsschäden bei der Grundstückspreisbildung, Richtpreise für Bodenwerte – Grundstücksabmarkungen – Grundlagen einer Geodätischen Meßtheorie und ihre kulturelle Bedeutung.  

Einige Auszüge aus den zahlreich dokumentierten, oft kontroversen Diskussionsbeiträgen möge das Denken und Ringen der Altvorderen zusätzlich beleuchten:

Dr. Otto Pirkel, Liegenschaftsrat aus Köln: „….Ich höre mit Entsetzen von einem Württembergischen Umlegungsgesetz, von einem Berliner Gesetz, von einem Braunschweiger Entwurf und frage: Muß das sein? …. Wir können der britischen Militärregierung danken, daß unsere eingereichten Pläne erst einmal ablagern mußten; ein zonaler Entwurf ist liegengeblieben und der bizonale Entwurf ist bis jetzt auch liegengeblieben. Eine Form muß gefunden werden, die für alle Zonen brauchbar ist.“

Kurd Slawik,  Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur aus Berlin zur Zulassung, nachdem er bisherige  Restriktionen „seit 18 Jahren“ (und zum Trotz der Berufsordnung von 1938) beklagt hatte: …Wenn man in Zeiten, wie heute, keinen freien Beruf hat, dann muß man ihn schleunigst schaffen. Nur so kann den wirtschaftlichen Anforderungen Genüge getan werden.“  

Edmund Braune, Hauptamtsleiter für Vermessung in Berlin zur Kommunalisierung (nach Protokoll): „Die Vereinigung sei eine wirtschaftliche und technische Notwendigkeit, der man heute nicht mehr ausweichen könne. Sie müsse bei der Stelle erfolgen, wo das Ergebnis der Vermessungsarbeit für die Wirtschaft und den einzelnen Bürger seine Hauptverwendung finde, bei der Selbstverwaltungsbehörde …die Güte der Stadtvermessung würden den Wert des Katasters nur heben; die Führung des Katasters unter städtischer Regie hebe die Ausrichtung nach den Katasteranweisungen nicht auf.“  

Christian Blank, Chefpräsident Bizonale Post, Abgeordneter in Niedersachsen :  …. „mich ein Leben lang durchsetzen müssen und wenn ich hier und da einen schlechten Witz machen wollte, dann sagte ich, wenn ich noch einmal auf die Welt käme, dann als Assessor, denn dann hätte ich es leichter als ein Geodät.“             

Uns Heutigen wird der hohe Stellenwert jener Veranstaltung deutlich aus der umfassenden Thematik und besonders durch den guten Klang der Namen damals handelnder Fachkollegen. Sie alle haben unser Vermessungswesen in den nachfolgenden Jahrzehnten maßgeblich befruchtet.

Quellen: Geodätentagung Berlin 8.-12. September 1947, Herausgeber Hauptamt für Vermessung von Groß-Berlin, 80 Seiten, Protokoll der Tagung, 5 Seiten, W. Großmann: Berliner Geodätentagung 1947, ZfV 1949, S. 28-29.