Vor 70 Jahren trat das Neuordnungsgesetz von 1934 in Kraft

Das Gesetz über die Neuordnung des Vermessungswesens trat am 3. Juli 1934 in Kraft. Es bestimmte das Vermessungswesen zur Reichsangelegenheit und war ein Rahmengesetz mit nur 5 Paragraphen. Ziel war, Organisation wie fachlichen Regeln des Vermessungswesens reichseinheitlich zu gestalten.

Das Gesetz wurzelte in den Beratungen des 1921 begründeten Reichsbeirats für das Vermessungswesens. Dieser Beirat hatte die Aufgabe, „die Entwicklung des praktischen Vermessungswesens und der ihm dienenden Zweige der Wissenschaft und Technik unter Wahrung der Interessen des Reichs und der Länder zu fördern.“ Der Beirat hatte insgesamt 46 Mitglieder u.a. aus den damaligen Ländern, einzelnen Reichsministerien, der Wissenschaft, dem Deutschen Städtetag. Er hat in insgesamt 6 Tagungen (die letzte 1931) segensreiche Arbeit geleistet, u.a. die Einführung der Gauß-Krüger-Koordinaten auf der Grundlage des Bessel-Ellipsoids (1923) initiiert. (Vergl. unsere Mitt Nr. 7). Die Leitung hatte Prof. Kohlschütter, maßgeblich unterstützt von Prof. Brennecke, beide aus Potsdam; dem Beirat arbeiteten 5 ständige Ausschüsse zu (wiss.-geodätische Fragen, Landesdreicks- und Höhennetz und Landestopographie, Landesvermessung und Abmarkungswesen, Kartenwesen, allgem. Organisations-, Ausbildungs- und Standesfragen). Dem Erlaß des Neuordnungsgesetzes gingen in nur eineinhalb Jahren 3 Referenten-Entwürfe voraus, welche insbesondere die unterschiedlichen Fach- und Organisationsinteressen widerspiegelten. 

Das Neuordnungsgesetz erlaubte den Erlaß von reichseinheitlichen fachlichen Vorschriften, so z.B. zur Bodenschätzung und deren Übernahme in das Liegenschaftskataster, zur Deutschen Grundkarte, zum Landesdreiecksnetz, aber auch zu einheitlichen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen und für eine Berufsordnung des freien Berufs. Die fachtechnische Gestaltung lag u.a. in den Händen der Referentengruppe Pfitzer und führte zu einer Reihe von wegbereitenden Erlassen (aufgelistet bei Satzinger, AVN 1984 S.345). Die Entstehung z.B. der ebenfalls auf dem Neuordnungsgesetz fußenden Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften für den höheren vermessungstechnischen Dienst ist herzerfrischend nachzulesen bei Großmann (ZfV 1977 S. 504): „Auf utopische Vorschläge antworte ich nicht“. 

Das Neuordnungsgesetz war nach dem zweiten Weltkrieg zunächst noch Rechtgrundlage für die Vermessungs- und Katastervorschriften der Bundesländer, es wurde erst von den jeweiligen Länderfachgesetzen abgelöst und jeweils formal aufgehoben. Auch die 1938-er Berufsordnung der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure galt noch lange in einzelnen Ländern der Bundesrepublik. -

War das Neuordnungsgesetz Ausdruck nationalsozialistischen Gedankenguts? Nittinger  bewertete den Zusammenhang so: „Es war schon eigenartig, daß das Neuordnungsgesetz vom 3. Juli 1934 die Empfehlungen des Beirats zum Teil durch das Gesetz selbst und seine Verordnungen für die Vermessungsstellen für verbindlich erklärte. Es ist aber nicht richtig, wenn hier und da behauptet wird, dieses Gesetz, das ohne Zweifel in den zwanziger Jahren vorbereitet wurde, enthalte nationalsozialistisches Gedankengut. Es ist allerdings festzustellen, daß man die politische Situation für den Erlaß des Gesetzes ausgenutzt hat.“ (zitiert nach Draheim AVN 1992, S. 11). Bei Friedrich Kurandt (ZfV 1959 S. 177) findet sich ergänzend der Hinweis auf  ein diesen Sachverhalt bestätigendes Urteil des BVG von 1955.

Nach Ende des zweiten Weltkriegs hat dann ab 1948/49 die Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland (AdV) die Bestrebungen nach fachlicher Einheitlichkeit - also die grundsätzlichen Ziele des Beirats - im föderalen Aufbau der Bundesrepublik wiederaufgenommen. Die AdV (nur entfernt ähnlich zusammengesetzt wie der Beirat) hat die Aufgabe, „fachliche Angelegenheiten von grundsätzlicher und überregionaler Bedeutung mit dem Ziel eine einheitlichen Regelung zu behandeln.“ Von Empfehlungen des Beirats ausgehende Entwicklungslinien lassen sich über das Neuordnungsgesetz, das Wirken von (ebenfalls nur) Empfehlungen der AdV in manchen fachlichen Bereichen nachzeichnen. Als ein Beispiel sei hier nur an die Entwicklung: Buchkataster - Reichskataster auf Karteikarten mit aufgenommener Bodenschätzung – Mehrzweckkataster – BEDV -  Automatisches Liegenschaftsbuch ALB - ALKIS erinnert. 

Kurandt hat 1959 das Neuordnungsgesetz als „Wende in der Geschichte des deutschen Vermessungswesens“ bezeichnet. Grundgedanken des Beirats (und auch dieser hatte ja bereits eine eigene Vorgeschichte) konnten umgesetzt werden. Im föderalen Aufbau der Bundesrepublik mochte die Einheitlichkeit (wieder) schwieriger zu erreichen sein – heute verlangt dies jedoch nicht selten die „fachliche Globalisierung“  – und notabene das knappe Geld.