60 Jahre AdV

Die Situation im deutschen Vermessungswesen nach dem zweiten Weltkrieg war zutiefst beklemmend.

Einer der Gründungsväter der AdV, Hugo Reist aus Stuttgart, zitierte aus dem von ihm als Testament bezeichneten Manuskriptdruck von Albert Pfitzer (1882 – 1948) „Vermessungswirklichkeit und Vermessungshilfen“ (Berlin 1948) über „das Trümmerfeld des amtlichen Vermessungsdienstes“: Verlust an Grundmaterial und Instrumenten, Notdächern über Ruinen dienstlicher Behausungen, überall Zeichen des Unheils, die dem totale Krieg und der totalen Niederlage folgten.

Historische Quellen berichten, Friedrich Kurandt, Max Kneissl und Hugo Reist fuhren in „gedrückter Stimmung“ Ende April 1948 im Nachtschnellzug gen Süden. Sie kamen von der Gründungsversammlung des DVW – Nordwest. Man verabredete, eine Zusammenkunft der Vermessungsverwaltungen der amerikanischen Zone in Stuttgart zu organisieren. Aus Bayern sollte (durch Kneissl) eine schriftliche Anregung kommen – Reist erhoffte, am ehesten ministerielle Einladungen nach Stuttgart zu erreichen. Kurandt war damals 56 Jahre alt, Kneissl und Reist Anfang 40. So kam es zur Gründungsversammlung der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der amerikanischen Zone am 24. und 25. Mai 1948. Über die denkwürdigen wirtschaftlichen Umstände am Rande der Gründungsversammlung 1948 hat der Präsident des Landesvermessungsamtes Hansjörg Schönherr 2004 in der zfv berichtet. Es gab Wein auf Bezugsschein, einmal 8 und einmal 12 Flaschen. Empfang von 200 gr. Brot, 100 gr. Nährmittel und 10 gr. Fett - Quittungen mit den Unterschriften u. a. von Kneißl, Kurandt, Reist, Geodäten-Persönlichkeiten von damals ….. die das wenige (sicher dankbar) empfangen haben für die Zeit einer Tagung der Vermessungsverwaltungen der US-Zone in Stuttgart, der Gründungsversammlung der AdV  (Vergl. unsere Mitteilung Nr. 61).

Im Oktober 1949 konstituierte sich in Marburg dann die um die Vermessungsverwaltungen der britischen und französischen Zone erweiterte Arbeitsgemeinschaft und führt seit dieser Zeit ihre heutige Bezeichnung Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltung der Länder der Bundesrepublik Deutschland (AdV). Später traten Westberlin (1952), das Saarland (1957) sowie nach der Wiedervereinigung die fünf neuen Bundesländer der AdV bei. Neben den für das amtliche Vermessungswesen zuständigen Fachverwaltungen der Länder wirken die Bundesministerien des Innern, der Verteidigung sowie für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in der AdV zusammen. Als Gäste gehören ihr die Deutsche Geodätische Kommission (DGK) als Vertretung der geodätischen Lehre und Forschung sowie die Arbeitsgemeinschaft Nachhaltige Landentwicklung als Bund-Länder-Vertretung für die ländliche Neuordnung an. Die Organe der AdV sind das Plenum und der Vorsitzende. Seit 1981 ist die AdV der Ständigen Konferenz der Innenminister und Innensenatoren zugeordnet.

Im Plenum sind regelmäßig die in den technischen Arbeitskreisen der AdV entwickelten Grundsätze für die Pflege der Landesvermessungswerke der Lage, der Höhe und der Schwere beraten und möglichst weitgehend umgesetzt worden. Dies gelang nicht immer ohne Schwierigkeiten, entwickelten doch ländspezifische Besonderheiten und auch ebensolche Interessen durchaus Eigengesetzlichkeiten. Große Verdienste hat sich die AdV erworben mit der Entwicklung von Großverfahren in der fachlichen Datenverarbeitung, so u. a. des Automatisierten Liegenschaftsbuches ALB, der Automatisierten Liegenschaftskarte ALK, des Amtlich-Topographisch-Kartographischen Informationssystems ATKIS, des Amtlichen Festpunktinformationssystems AFIS, des Satellitenpositionierungsystems SAPOS. –

Vorsitzer bzw. Vorsitzende  waren in den vergangenen 60 Jahren:

1948-1958 Friedrich Kurandt, Hessen – 1959-1960 Prof. Dr. phil. Ernst Pinkwart, Nordrhein-Westfalen –  1960-1971 Prof. Dr.-Ing. Johannes Nittinger, Niedersachsen – 1972-1973 Dr.-Ing. Adam von der Weiden, Rheinland-Pfalz – 1974-1975 Prof. Dr.-Ing. Franz Xaver Graf, Bayern – 1976-1977 Werner Gundt, Baden-Württemberg –  1978-1979 Prof. Günter Hübner, Berlin – 1980-1981 Helmut Watermann, Nordrhein-Westfalen – 1982 Erich Lämmerhirt, Freie und Hansestadt Hamburg – 1983-1984 Dr.-Ing. Harald Lucht, Freie Hansestadt Bremen –  1985-1988 Wulf Schröder, Hessen –  1989-1990 Jürgen Schlehuber, Niedersachsen – 1991-1992 Günter Herzfeld, Rheinland-Pfalz – 1993-1994 Dr. Max Engelsberger, Bayern – 1995-1996 Hans Vetter, Baden-Württemberg – 1997-1998 Hagen Graeff, Freie und Hansestadt Hamburg – 1999 Dr.-Ing. Friedrich Rokahr, Berlin, 2000 – 2001 Heinrich Tilly, Brandenburg, 2002– 2003 Friedrich Wilhelm Vogel, Nordrhein-Westfalen – 2004-2005 Reinhard Klöppel, Hessen – 2006-2007 Prof. Dr.-Ing. Klaus Kummer, Sachsen-Anhalt – 2008 – 2009 Hans Gerd Stoffel, Rheinland-Pfalz.

Wie der Verfasser aus eigener Vorsitzer-Zeit erinnert, gab es immer wieder konstruktive wie ebenso langwierige Beratungen, nicht zuletzt, weil Fachkollegen oft den (zukunftsweisenden) Verabredungen der Fachebene nur unter Finanzierungsvorbehalt zustimmen konnten.

Die Geschäftsführer der AdV waren eine beständige große Unterstützung der „Vorsitzer“ (und später Vorsitzenden). Die Gesc     häftsführer kamen in guter Kontinuität aus Hannover. Verfasser hat seit 1973 Wolf-Erich von Daack erlebt, der (in der Nachfolge von Dr. Konstanzer) diese Funktion von 1972 bis 1997 mit großem Geschick ausfüllte. Nach Peter Creuzer hat dann seit 2002 Wilhelm Zeddies diese Aufgabe übernommen.

In einer Feierstunde am 9. September 2008 im Kongresshotel Europe in Stuttgart begrüßte Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch die Festversammlung. Stuttgart habe eine „gute Tradition“. Hier trafen sich die Repräsentanten der Mitgliederverwaltungen 1973 (25 Jahre AdV), 1988, 1998 und nun 2008, 60 Jahre nach der Gründung. Sie hob die Bedeutung der Staatsaufgabe im Liegenschaftskataster-Grundbuch-System zusammen mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes hervor und erntete Schmunzeln mit der rhetorischen Bemerkung zur Länderkompetenz, „denn der Bund habe ja kein eigenes Terrain“.

Einleitend hatte der AdV-Vorsitzende Ltd. Ministerialrat Hans Gerd Stoffel aus Rheinland-Pfalz frühere und aktive Plenumsmitglieder begrüßt. Er lobte die beständige gute Partnerschaft zwischen den Plenumsmitgliedern als wesentliche Konstante für gemeinsame fachliche Entwicklungen und große technische Fortschritte.

In Grußworten sprachen der Vorsitzende des BdVI, Michael Zurhorst zur wachsenden guten Zusammenarbeit und DVW-Präsident Hagen Graeff mit einem Bekenntnis zum Geodäten als dem klassischen Berufsträger.

Einblicke und Rückblicke auf die AdV-Arbeit gab Präsident a. D. Dr. Viktor Eisele, der die gewaltige technische Entwicklung seit 1948 umriß – von der 48-Stundenwoche und reiner Handarbeit bis in die heute allenthalben digitale Gegenwart. Und Präsident a. D. Wulf Schröder ergänzte mit Anmerkungen zu manchen kontroversen Themen im Plenum, so auch zu seinerzeit zukunftsgewandten maßstabsunabhängigen Landschaftsmodellen und praxisbezognen maßstabsorientierten kommunalen Informationssystemen – Gedanken von der Vielfalt in der Einheit.

Daß es bei aller Ernsthaftigkeit in der Arbeit der vergangenen 60 Jahre durchaus auch Unkonventionelles gab, zeigt beispielhaft eine Protokollierung von vor 20 Jahren. Es gelang, die Deutsche Fußballmeisterschaft 1988 von Werder Bremen im Plenums-Protokoll unterzubringen – im TOP 5.2 der 82. Tagung vom 4. bis 6. Mai in Berlin steht’s im Zusammenhang mit Maßstabsorientierung, wer-der meist-er …. –

Zur Einstimmung der Festversammlung in Stuttgart zeigte die AdV ein professionelles Video zu den Leistungen des amtlichen Vermessungswesens – von Eratosthenes bis zu heutigen 3-D-Modellen, Navigation, GIS, SAPOS, Grenzherstellung, Grundstücksbewertung – eine außerordentlich gelungene kurzweilige Show über alle amtlichen allround-Vermessungsleistungen.  

In einem ausführlichen Tätigkeitsbericht 2007/2008 wird die Geschichte der AdV kurz beleuchtet und aus dem Wirken der Arbeitskreise berichtet. Geobasisdaten und die Mitwirkung der AdV in nationalen und internationalen Gremien sind dargestellt, eine Liste aller Tagungen ist dokumentiert.

60 Jahre – die AdV setzt grundsätzlich das Wollen und Wirken fort, das der frühere Beirat für Vermessungswesen seit 1921 segensreich begonnen hatte. Jener Beirat stand auf breiterer Basis (vergl. unsere Mitt. Nr. 41). 1952 lehnte die AdV ein Mitwirken in einer konzipierten breiteren Vermessungskonferenz ab, um die Stellung als Repräsentanz des amtlichen deutschen Vermessungswesens zu stärken und für die Zukunft zu sichern. Heute wird erkennbar, daß von dieser Basis aus ein Zusammenstehen über die Grenzen von Institutionen möglich ist und notwendig wird, soll sich das deutsche Vermessungswesen in Europa behaupten. Siehe auch www.adv-online.de .