Das Vermessungs- und Kartenwesen der Kolonialzeit erforscht
In seiner Dissertation „Deutsche Kolonialkartographie 1884-1919“ an der Universität der Bundeswehr München erforschte er den seinerzeitigen Informationsbedarf und die in den Kolonien eingesetzten Kräfte und Mittel für die Aufnahme eines Gebiets von tatsächlich der fünffachen Größe des damaligen Deutschen Reiches. Er ging den Spuren der Kolonialverwaltung und des Reichsmarineamtes nach und analysierte die Beteiligung des Militärs, das im Dt. Reich für die Landesvermessungs-Aufgaben zuständig war.
Die politischen und organisatorischen Rahmenbedingungen werden umrissen. Reichskanzler Bismarck setzte in den Kolonien vorrangig auf Privatinitiative. Eingangs der Arbeit wird die Einbindung der Fachgeschichte in die Geschichte gegen Ende des 19. Jahrhunderts skizziert. Weitere Kapitel sind der Expeditions- und der amtlichen Kolonialkartographie gewidmet. Das Mitwirken der Privatkartographie wird hervorgehoben, Namen wie Reimer in Berlin, Bertelsmann in Gütersloh, Perthes in Gotha, Westermann in Braunschweig u.v.a.m. Rudolf Hafeneder berichtet mit Bewunderung über die Leistungen der Trigonometer, Topographen und Kartographen in Relation zu den Produkten der anderen europäischen Kolonialmächte. Kartenoriginale sind entstanden als Kupferstich, auch als Steingravur. Ein herausragendes Charakteristikum der deutschen Kolonialkartographie war die Erkenntnis einer vielfachen Privatinitiative von Missionaren, Kaufleuten, Offizieren, Farmern, Landmessern, Beamten und Forschern. Rudolf Hafeneder präsentiert im Anlagenband seiner Doktorarbeit Ausschnitte aus den amtlichen Kolonialkarten, die die Meisterschaft der Kolonialkartographen unterstreichen. Schließlich untersuchte er die geodätisch interessante Frage, wie Deutschland seine ausländischen Gebiete für die Bestimmung der Erdfigur im Rahmen der Internationalen Erdmessung genutzt hat.
Die von Prof. Kurt Brunner und Prof. em. Albert Schödlbauer betreuten Dissertation ist eine umfassend recherchierte Dokumentation eines hochinteressanten und ungewöhnlichen Kapitels deutscher Kartographie- und Kolonialgeschichte. Der Förderkreis dankt seinem Mitglied Rudolf Hafeneder für ein gedrucktes Exemplar samt Anlagenband für unsere Bibliothek. Die wertvolle Dokumentation ist auch im Internet unter http://www.rudolf-hafeneder.de einsehbar – einschl. zusätzlicher Forschungsergebnisse, die den Rahmen der schriftlichen Publikation gesprengt hätten (z.B. Übersetzung ins Englische, Denkschriften, Dokumente, Besprechungsprotokolle).
Quelle: Rudolf Hafeneder: Deutsche Kolonialkartographie 1884 – 1919, Diss. Fak. F. Bauingenieur- und Vermessungswesen der Uni der Bundeswehr München 2008.
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