„Die Vermessung der Welt“ – Kehlmanns Roman als Film

Daniel Kehlmanns Roman, inzwischen in aller Welt millionenfach verkauft, ein internationaler Bestseller, ist seit dem 25. Oktober 2012 als Film in den Kinos zu sehen.

Das Drehbuch schrieb zunächst Kehlmann selbst und gab es in die bewährten Hände des Regisseurs und Schauspielers Detlev Buck, beide sorgten dann für die Realisierung, ein Werk von 2 Stunden, farbenfroh und in 3D-Qualität.

Der Förderkreis Vermessungstechnisches Museum hatte über seinen Ersten Vorsitzenden für die im Film eingesetzten Vermessungsinstrumente einschließlich technischer Beratung gesorgt, also nicht so ganz unwichtige Requisiten dieser filmischen Weltvermessung.  Und Ingo von Stillfried war auch beim Preview zugegen und beschrieb als seine allerersten Eindrücke:

„Ein Film kann schon aufgrund der begrenzten Lauflänge nicht den gesamten Inhalt eines Buches wiedergeben. Natürlich ist das auch hier so. Jeder Leser hätte sich sicherlich auch eine andere Auswahl von Episoden gewünscht. Aber die wenigen ausgewählten Episoden sind geeignet, die Charaktere der beiden Romanhelden gut zu zeigen. Genauso wie im Buch ein Gauß- mit einem Humboldt-Kapitel abwechselt, wechseln auch im Film die Szenen zwischen den beiden Hauptakteuren….Ich persönlich hätte natürlich als Geodät noch mehr Szenen gewünscht, in denen die Vermessungstätigkeit von Gauß und Humboldt zum Thema werden. Als Förderkreis Vermessungstechnisches Museum hätte ich mir auch gewünscht, dass die von uns als Requisiten zur Verfügung gestellten Vermessungsinstrumente noch mehr im Vordergrund stehen. …(Doch werden) die Charaktere der beiden Personen im Film gut nachgezeichnet….Ein Hitlistenplatz wie der Roman wird ihm sicherlich nicht beschert sein, dafür ist er vom Mainstream der heutigen Filmproduktionen zu weit weg. Aber er zeigt, dass man Kinofilme in 3D auch anders machen kann… und wenn diese Filmrichtung Schule machen sollte, wäre das sicherlich auch eine gute Entwicklung für niveauvolle Kinofilme.“

In der FAZ schrieb Andreas Kilb: „Die ersten Minuten des Films sorgen dafür, dass die Hochstimmung, die man erwartet hat, eine Weile anhält." Mit seiner Geschichte vom Lama, der Machtlosigkeit der Wissenschaft, was sie sagen wolle und doch nicht sagen könne. Dazu Kilb: "...Da ist er, der melancholische Witz von Kehlmanns Buch, der Grund, warum man "Die Vermessung der Welt" auch nach sieben Jahren und siebenhundert Rezensionen noch beglückt wiederlesen kann." Doch meint der FAZ-Rezensent, es gäbe kaum dramaturgische Reibung, dem Film gehe später die Puste aus. Die Begegnung von Gauß und Humboldt, im Buch ein himmlisches Gespräch, ein Wechselgang der Geister - im Film jedoch "schlurfen zwei Kostümgreise durch die Untiefen des Raumes"...

Als Ihr Redakteur seinerzeit den Roman las, war er anfangs auch recht skeptisch ob der großen dichterischen Freiheit vom Autor Kehlmann - und dann echt begeistert über seinen trockenen Humor, seine gekonnt aufbereiteten und reizvollen Dialoge, kurz sein Sprachgenie. Und mit der wesentlichen Erkenntnis, keine Biographie sondern einen Roman zu lesen, der jedoch unsere Vermessungswelt öffentlichkeitswirksam vervielfältigte. Meine Gedanken habe ich damals 2006 festgehalten im VDVmagazin. Darin bin ich auch kurz den Hintergründen nachgegangen, den Gedanken, wie Kehlmann seinen Roman verstanden haben wollte. Siehe Veröffentlichung in 2006 www.haraldlucht.eu .

Ja, und nun Besuch des Films: Etwas Besonderes. Immer mal wieder blitzt in den Dialogen ein tiefergehender Gedanke auf, locker formuliert, unverkennbar Kehlmann – doch erkennbar mehr für den Zuschauer mit Vorkenntnissen, am breiten Publikum wohl meist vorbeigehend. Faszinierend die Szene, in der Gauß die Mathematik der differentiellen Dreiecke auf der gekrümmten Fläche erkennt,  am Beispiel eines Apfels in Johannas Händen, seiner späteren Frau. Große Landschaften, fremde Ureinwohner, botanische Kostbarkeiten – die Humboldt und Bonpland, sein „Assistent, nein, dessen heftiger Widerspruch: Mitarbeiter“ erkunden… Und leider hat auch Andreas Kilb recht – Gauß und Humboldt werden am Filmende in sehr ärgerlicher Untiefe gezeigt – schade um den Schlusseindruck dieses sonst doch so sehr sehenswerten Films.