Eingliederung der Katasterämter in NRW in die Stadt- und Landkreise

Am 30. 4. 1948 beschloß der Landtag von Nordrhein-Westfalen mit ganz überwältigender Mehrheit gegen nur 1 Stimme die Eingliederung der Katasterämter (und weiterer bisher selbständiger Sonderbehörden) in die Stadt- und Landkreise – eine Maßnahme, die in den bisher staatlichen Katasterbehörden auf erhebliche fachliche Bedenken stieß.

Die Situation damals, weniger als 3 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs – zerbombte Städte, Wohnungsnot, Millionen Flüchtlinge aus dem Osten in den westlichen Besatzungszonen – kurz Not überall. Wiederaufbau und Wohnungsbau, Bündelung aller Kräfte vor Ort waren die zentralen Notwendigkeiten, insbesondere in den größeren Städten. Zusammenfassung aller Fachkräfte, Einheitlichkeit in der Ortsinstanz, diese Zwänge standen in (fachlicher) Konkurrenz zur der Wahrung der Einheitlichkeit in einer staatlichen Sonderverwaltung, wie sie herkömmlich überliefert war –  zwei grundlegend unterschiedliche Ziele, damals – und lange davor und darüber hinaus.

Es ist hochinteressant, die seinerzeitige Fachdiskussion von Schlegtendal-Herford und Zörner-Frankfurt a. M. (pro Kommunalisierung) und Ohl-Darmstadt (pro staatliche Verwaltung) nachzulesen – andererseits die von gegenseitiger Verständigungsbereitschaft geprägten Schlußworte in der ZfV 1953 von Ohl und Schlegtendal. Eine ähnliche, allerdings wesentlich zurückhaltende fachliche Diskussion gab es später nochmals nach der Wiedervereinigung 1990.  

Die Eingliederung 1948 in NRW verfolgte zunächst ein doppeltes Ziel, die Herstellung einer (bürgerfreundlichen) Einheitsverwaltung in der Kreisstufe und damit einhergehend die erhoffte Realisierung von Einsparpotentialen. Man meinte, die „einsam stehenden Sonderbehörden“ seien der ständigen Gefahr ausgesetzt, „alles zu sehr unter dem Gesichtswinkel ihrer Tätigkeit und nicht unter dem der großen Gemeinschaft und übergeordneter Interessen zu beurteilen“. Tatsächlich hat sich die Eingliederung in den Boomjahren des Wiederaufbaus als segensreich erwiesen. Zwar konnte das erhoffte Einsparziel nicht erreicht werden, doch das lag insbesondere an dem erheblichen Aufgabenzuwachs. Zunächst waren das Kataster zu ergänzen (Gebäude) und die Karten zu erneuern für die steigenden Bedürfnisse. Hinzu kamen die Aufgaben von Baulandumlegungen, Grenzausgleich, Zusammenlegungen, jene Rechtsinstitute, mit denen die Planung von Wiederaufbau und Neubau realisiert wurden, sowie die Umsetzung der Aufgaben aus den Aufbaugesetzen der Länder. Integriert in der Stadtverwaltung hieß und heißt, unmittelbar beteiligt zu sein in gemeindliche Handlungsprozesse, eine wichtige Voraussetzung, Kataster- und Vermessungskompetenz unmittelbar einbringen zu können (ZfV 1992 S. 103/104).

Dem Verfasser dieser Zeilen ist jene oben angedeutete grundsätzliche Reserviertheit aus staatlichen Vermessungs- und Katasterverwaltungen anderer Länder in seiner Mitgliedschaft in bundesweiten Gremien seit 1973 – also 25 Jahre nach der Eingliederung im bevölkerungsreichsten Bundesland – immer wieder begegnet. Er selbst befand sich in der glücklichen Lage eines Stadtstaates (Freie Hansestadt Bremen), in dem staatliche Landesvermessungs- und  Katasteraufgaben und die Aufgaben des kommunalen Vermessungswesens selbstverständlich (jedenfalls ab 1973) in einer Dienststelle vereinigt waren. Man muß jedoch andererseits auch sehen, daß ADV-technische Großverfahren in den vergangenen 70-iger und 80-iger Jahren durch die übergeordnete Kompetenz in den staatlichen Ämtern der Flächenländer erhebliche Fortschritte verzeichnen konnten. Allerdings hat ebenso z. B. das Landesvermessungsamt in NRW kompetent und segensreich gewirkt, und in Zusammenarbeit mit der kommunalisierten Fachverwaltung zukunftsweisende Lösungen in den Automationsverfahren aufgebaut. Ergänzend sei auch an den Grundgedanken des MERKIS-Konzepts des Deutschen Städtetages erinnert, jene damalige Koordinationsempfehlung zum einheitlichen Raumbezug für kommunale Informationssysteme von 1988. 

„Die Kommunalisierung ermöglicht die direkte Einflussnahme auf die zeitliche, inhaltliche fachliche und wirtschaftliche Erledigung der Aufgabe“, hat Rainer Höhn kürzlich nochmals hervorgehoben, und „durch die Kommunalisierung der Katasterämter ging die Einheit  des Liegenschaftskatasters und die Einheit von Landes- und Katastervermessung nicht verloren.“  Und Karl Zörner schrieb schon damals 1953  in seinem ausgewogenen Beitrag als von dem „uralten“ Thema  (a. a. O. S. 216).

Quellen in Auswahl: G. Schlegtendal: Die Eingliederung der Katasterämter im Lande Nordrhein-Westfalen in die Stadt- und Landkreise, ZfV 1952 S. 306 – 311, W. Ohl: Kommunalisierung der Katasterverwaltung?, ZfV 1952 S. 376 – 382, Karl Zörner: Nochmals Kommunalisierung oder Verstaatlichung?, ZfV 1953 S. 215 – 218, W. Ohl und G. Schlegtendal: Schlußworte zum Thema „Kommunalisierung“, ZfV 1953 S. 218 – 219,  G. Cummerwie/ H. Lucht: Städte brauchen einheitlichen Raumbezug (MERKIS), Zs. Der Städtetag 1988 S. 538 - 543 , Harald Lucht: Kataster- und Vermessungswesen in Bremen und aus der Sicht der Städte, ZfV 1992 S. 99 – 107, Rainer Höhn: Das kommunalisierte Liegenschaftskataster in Nordrhein-Westfalen. Ein fast 60 Jahre junges zukunftsträchtiges Erfolgsmodell Zs. NÖV NRW 3/2006 S. 4 – 14.