Der französische Gelehrte Jean Fernel (latinisiert: Joannes Fernelius, um 1497-1558) hatte zunächst Astronomie und Mathematik studiert, später auch Medizin. Vor 500 Jahren, also 1525, führte er nördlich von Paris eine Gradmessung zur Bestimmung des Erdumfangs durch. Nach seiner Darstellung in der “Cosmotheoria” von 1528 bestimmte er dazu die Polhöhe von Paris mit einem einfachen hölzernen Gerät, fuhr vier Tage lang so weit nach Norden, bis die Polhöhe nach seiner Beobachtung um 1 Grad zugenommen hatte. Auf dem Rückweg zählte er (nach einem gewissen Abzug für ungerade und unebene Straßen) 1.7024 Radumdrehungen seiner Kutsche und ermittelte damit eine Länge von 56.746 Toise (bzw. 110.598 Meter) für 1 Grad Meridianbogen.

Diese Methode einer Gradmessung beruht auf dem Erdmessungsmodell des Mönchs Hermann der Lahme (1013-1054) auf Reichenau, das er im Kapitel 2 seiner Schrift “utilitatibus astrolabii” vorstellte. Dabei variiert er die Methode des Eratosthenes (um 284-202 v. Chr.) und schafft eine für das lateinische Abendland praktikable Messmethode. 

Hermann schlägt in origineller Weise vor, mit Hilfe das Astrolabs an einem beliebigem Ort bei klarer Nacht den Himmelspol zu beobachten. Sodann gehe man so lange nach Norden (oder Süden), bis der Himmelspol mit dem Astrolab um exakt 1 Grad verschoben ermittelt wird. Die zwischen beiden Messungen zurückgelegte Wegstrecke in Südnordrichtung ist mit 360 (der Gradeinteilung des Astrolabs und der Erdkugel) zu multiplizieren, um den Umfang der Erde zu erhalten.

Dieser genial einfachen Idee des Hermann bediente sich Jean Fernel bei seiner Gradmessung nördlich von Paris. Auch die späteren Gradmessungen in Lappland 1736/37 (Maupertuis) und Peru 1735/43 (Bouguer, La Condamine, Godin) arbeiteten nach Hermanns Erdmessungsmodell.
(Volker Bialas, Erdgestalt …, 1982, S. 79-81; Manfred Spata: Hermann der Lahme und sein Erdmessungsmodell, VDVmagazin 57 (2007) Heft 6, S. 506-508)