Historische Kartographie und Vermessung

Der vom Förderkreis Vermessungstechnisches Museum e. V. betreute Vortragsblock bei der INTERGEO in Nürnberg am 29. 09. 2011 war erneut ein voller Erfolg.

Unter professioneller Moderation von Ingo Frh. von Stillfried hörten zahlreiche Zuhörer Im Saal „KIEW“  drei hochinteressante Vorträge:

Prof. Dr.-Ing. Peter Mesenburg, Universität Essen-Duisburg referierte über „Die Welt vor Columbus – Zur Genauigkeit der Katalanischen Estense-Weltkarte (1450)“. Er spannte den Bogen von Karten des Mittelalters über die nach Osten orientierten Ebsdorfer Weltkarte (mit der Andeutung des Jesus, der die Welt in Kreuzform umfaßt - wir haben eine sehr instruktive Abbildung der Ebsdorfer Weltkarte in unserem neuen Museumshandbuch, siehe S. 114), über die Systematik der Herstellung alter Portolankarten bis hin zur katalanischen Estense-Welkarte. Deren wissenschaftliche Untersuchung führte zu einer für die damalige Zeit erstaunlich hohen Genauigkeit – eine Präsentation historischer Kartographie, gekonnt kurzweilig vorgetragen.

Prof. Dr. Peter van der Krogt, University Utrecht erfreute die Zuhörer mit ebenfalls hervorragenden Abbildungen in seinem Vortrag  „Gerhard Mercator als Kartograph und Kosmograph“. Einleitend umrundete er  die Frage – übrigens in überraschend gutem deutsch – ob Mercator wohl eher als Geograph, als Kosmograph oder als Kartograph zu gelten hat und neigte zu letzterer Profession. Sein Wegbereiter Gemma Frisius, seine vielzähligen Auftragsarbeiten, sein erstmals von ihm begründeter Atlas, der Vortragende wußte die Zuhörer mit den umfangreichen Schaffen Mercators und – in seiner Nachfolge – dessen Sohn und seiner Familie zu fesseln, last not least mit Hinweis auf die Mercator-Projektion, wie sie heute allen Navigationssystemen zugrunde liegt. Teile seines Vortrags werden in dem demnächst erscheinenden Band über das jüngste 11. Symposium zur Vermessungsgeschichte nachzulesen sein.

Im abschließenden Vortrag dieses Nachmittags wußte Dipl.-Ing. Frank Reichert, ÖbVI, Landesgruppe Brandenburg, die Zuhörer mit einem einmal mehr überraschend tiefgründigen Vortrag zu erfreuen:  „Die Zollmann’sche Scheibe – Geschichte eines Vermessungsinstruments“. Bereits einleitend relativierte der Rederent die Bezeichnung „Instrument“, handele es sich letztlich doch lediglich um eine Papierscheibe, auf der im Feld zentrierte Richtungen aufgetragen, im Büro als graphische Winkel umgesetzt werden. Doch Frank Reichert hinterfragte, ob Johann Wilhelm Zollmann tatsächlich der „Erfinder“ dieser Scheibe war – immerhin hatte er schon 1726 bereits eine Katastervermessung in Sachsen-Weimar durchgeführt und ein Buch über die Zollmann’sche Scheibe verfaßt. Intensive Archiv-Forschungen des Vortragenden zeigten jedoch, diese Papierscheibe war schon seit einigen 100 Jahren früher im praktischen Gebrauch. Didaktisch geschickt dargeboten, erlebten die Zuhörer, wie immer ältere – auch englische und französische – Quellen ergründet wurden (u.a. Leupold, Zürner, Bion, Dilich, schließlich Daniel Schwentner (geb. 1585 in Nürnberg, dessen Buch der Förderkreis 1986 mit einer Einführung von Dr. Kurt Kröger als Reprint herausgegeben hatte. – Der Referent führte die Gedanken bis hin zur Frage: war das Meßtischverfahren oder jene Papierscheibe das ältere „Instrument“? Wir erlebten einmal mehr, wie intensiv und mit Forscherdrang unser Eratosthenes-Preisträger 2001 Frank Reichert vermessungshistorische Zusammenhänge aufzuhellen vermag.

Ingo von Stillfried dankte abschließend Vortragenden wie Zuhörern. Und er wies werbend auf unsere kommende große Mercator-Ausstellung in Dortmund hin – siehe auch www.mercator500.de  und weitere Mitteilungen auf dieser Seite unserer Homepage. –

Der traditionelle Stand des Förderkreises Vermessungstechnisches Museum e. V. in den Messehallen wurde in diesem Jahr mit besonderem Engagement von Jürgen Lagoda und Rudolf Uebbing betreut, tatkräftig assistiert von Christian Heine. Internationale Besucher waren u. a. Paul Duré aus Gent, Kollegen aus Polen vom Warschauer Geodäsieunternehmen. Unter den zahlreichen Besuchern konnten Präsident Harald Lucht und Erster Vorsitzender Ingo von Stillfried u. a. auch die Kollegen Präsident a. D. Wulf Schröder aus Wiesbaden, Dr. Helmut Hoffmeister aus Erfurt und mit großer Freude Prof. Dr. Hubertus Hildebrandt begrüßen, Leiter des Stadtvermessungsamtes Nürnberg bis 1990.