Persönlichkeiten in der Landeskultur im Rheinland 1945 bis 1970

Die unermüdlichen Erforschungen der geschichtlichen Entwicklungen der Landeskultur im nördlichen Deutschland hat Professor em. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Erich Weiß fortgesetzt und nunmehr den Zeitraum nach 1945 in den ehemaligen preußischen Provinzen Nordrhein und Westfalen dokumentiert.

Nach grundlegender Darstellung der Vorgeschichte des nach dem Zweiten Weltkrieg neu gebildeten Landes Nordrhein-Westfalen dokumentiert er, wie aus der bisherigen Landeskulturabteilung beim Oberpräsidium der Provinz Nordrhein ein neues Landeskulturamt in Bonn geschaffen wurde (und später verlegt 1958 nach Düsseldorf). Ebenfalls beschrieben werden die Weiterführung der Landeskulturabteilung beim Oberpräsidenten der Provinz Westfalen sowie die facettenreichen Entwicklungen der nachgeordneten Kulturämter. Erläuternd schreibt Erich Weiß, „die Landeskultur im hier angesprochenen Sachzusammenhang der 1950er bis 1970er Jahre umfasst im wesentlichen Maßnahmen zur Verbesserung der landbautechnischen Produktionsmöglichkeiten auf den land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen (…) mittels Grundstücksneuordnung (…) sehr wohl schon unter Wahrung und Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen.“ Und er weist auf die Regelungen des Flurbereinigungsgesetzes des Bundes hin und darauf, daß diese Landeskulturmaßnahmen als staatliche Aufgaben von Behörden des Landes wahrzunehmen waren.

1957 bewirkte die Zusammenführung der Landeskulturverwaltung mit der Landessiedlungsverwaltung eine deutliche Verwaltungsstrukturänderung und führte zur Landesverwaltung für Flurbereinigung und Siedlung, räumlich noch getrennt für den nordrheinischen und für den westfälischen Landesteil. Zur ländlichen Bodenordnung war damit wieder das ländliche Siedlungswesen hinzugekommen – insgesamt ergab sich damit ein umfängliches und volkswirtschaftlich ungemein wichtiges Aufgabenspektrum, insbesondere auch vor dem Hintergrund der zahlreichen Flüchtlinge und Vertriebenen aus den ehemals deutschen Ostgebieten, die in großen Teilen auch landwirtschaftlich geprägt waren.

Die hier besprochene Dokumentation von Erich Weiß erinnert im weiteren an die leitenden Persönlichkeiten der Landeskulturverwaltung Nordrhein bzw. der Verwaltung für Flurbereinigung und Siedlung Nordrhein, Egon Küsters (1944/45 – 1954), Dr. Otto Bierig (1954 – 1968) und Dr. Karl Jennen (1968 – 1970). Wir fassen deren ausführlich beschriebenen Lebensläufe und ihr Wirken hier in gebotener Kürze zusammen.

Egon Küsters wurde am 26 April 1885 in Labbeck im Kreis Moers geboren und röm.-kath. getauft. Der Vater war Zentrumspolitiker und 1921 bis 1924 Abgeordneter des preußischen Landtages. Nach dem Abitur studierte Egon Küsters Rechtswissenschaften in Freiburg, Marburg, Berlin und Bonn und beendete seine Ausbildung 1914 mit dem Zweiten Juristischen Staatsexamen in Berlin. Nach dem Ersten Weltkrieg gelang ihm 1919 der Einstieg in die preußische Landeskulturverwaltung und schon 1920 wurde er Kulturamtsvorsteher in Mayen. Nach Wirken in Düsseldorf wurde er 1933 nach Koblenz versetzt – es folgte die Zeit des Nationalsozialismus, in einer heute unwirklichen, damals vielfach belastenden Arbeitswelt. Und Erich Weiß zitiert den erneuten (!) Diensteid, den Küsters 1934 wie alle öffentlichen Beamten (und Soldaten) zu leisten hatte, „Ich schwöre: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes Adolf Hitler treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe.“ –

Um größere dienstliche Benachteiligungen zu vermeiden, hat sich Egon Küsters auch in berufsnahe nationalsozialistische Organisationen eingebracht und trat 1937 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ein. – Gleichwohl wurde er bereits am 7. August 1945 wieder in den Dienst der Landeskulturverwaltung noch des Oberpräsidiums Nordrhein einberufen und später im Entnazifizierungsverfahren als „Typischer Mitläufer“ eingeschätzt, der „…sich in keiner Weise aktiv für die NSDAP eingesetzt…“ hatte. Egon Küsters wurde als „entlastet“ eingestuft, da „…er nicht aus Überzeugung Parteimitglied war, sondern nur infolge des auf alle Beamten ausgeübten behördlichen Druckes…“.

Der Neubeginn landeskultureller Arbeiten nach den Kriegszerstörungen war unendlich mühselig, Räumlichkeiten, Aktenunterlagen und Personal fehlten. Egon Küsters arbeitete über die Pensionsgrenze hinaus und wurde 1952 noch zum Regierungs-Direktor befördert, 1954 in den Ruhestand verabschiedet und 1955 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Er starb 1961 in Bonn.

Nachfolger wurde 1954 Oberregierungs- und Kulturrat Dr. Otto Bierig, Kulturamtsvorsteher in Düsseldorf. Otto Bierig wurde am 14. April 1903 in einem katholischen Elternhaus in Siegen geboren. Nach dem Abitur 1922 studierte er Rechtswissenschaften in Tübingen und Köln und wurde dort zum Dr. jur. promoviert. Nach Erster und Zweiter Juristischer Staatsprüfung folgte die Ausbildung zum Kulturamtsvorsteher ab 1931 bis 1935 in Elbing, Königsberg, Stolp sowie Schweidnitz, alle gelegen in den östlichen preußischen Provinzen. Otto Bierig wurde von der politischen Staatssicherheit der pommerschen Provinzialhauptstadt Stettin längere Zeit intensiv observiert, was ihm jedoch nicht verborgen geblieben ist. Bis 1942 folgten Versetzungen nach Limburg/Lahn und nach Euskirchen, wo er „unabkömmlich“ gestellt wurde. Bemerkenswert ist, in welchem Umfang Spitzenbeamte im damaligen großen deutschen Reichsgebiet versetzt wurden.

Auch Otto Bierig war 1933 Mitglied der NSDAP geworden und ebenso der NS-Sturmabteilung SA und in weiteren NS-Organisationen. Er konnte erst im Berufungsverfahren seine Entnazifizierung erreichen, für ihn hatten sich große Schwierigkeiten aus seinen (angeblichen) Aktivitäten in der SA ergeben. So konnte er erst 1950 seinen Dienst in der Landeskulturverwaltung wieder aufnehmen. 1954 wurde er Nachfolger von Egon Küsters und am 21. Juni 1960 zum ersten Präsidenten des Landesamtes für  Flurbereinigung und Siedlung befördert, eine Position, die er mit Umsicht und Tatkraft bis zu seiner Pensionierung 1968 ausüben konnte. Er ist 1971 in Düsseldorf verstorben.

Kurzzeitiger Nachfolger wurde Dr. Karl Jennen,  geboren am 18. März 1906 in einem katholischen Elternhaus in Gelsenkirchen. Er hatte nach seinem Abitur und dem Studium der Rechtswissenschaft in Berlin, Paris, Königsberg, Greifswald, Erlangen, Bonn und Münster, sowie den beiden Juristischen Examina noch 1932 seinen Amtseid mit den Worten abgelegt, „Ich schwöre Treue der Verfassung, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten, so wahr mir Gott helfe.“ 1934 folgte die Promotion in Erlangen. Vom November 1935 bis zum August 1938 arbeitet er u.a. als Notarvertreter und ab 1938 in der Reichsfinanzverwaltung, dort hatte er das Gelöbnis abzulegen, wie schon bei Küsters zitiert: „Ich werde dem Führer…“. Zum 30. Oktober 1940 wurde er zum Militärdienst eingezogen und kehrte aus der Kriegsgefangenschaft 1946 zurück.

Auch Karl Jennen war Mitglied der SA von 1933 bis 1938 und Mitglied der NSDAP seit 1937 sowie ebenfalls Mitglied mehrerer weiterer NS-Organisationen. Im abschließenden Entnazifizierungsverfahren wurde er 1949 entlastet. Bereits zuvor war er wieder in die Finanzverwaltung zurückgekehrt und wirkte dort in verschiedenen leitenden Funktionen. Dr. Karl Jennen wurde dann am 9. Januar 1968 zum Präsidenten des Landesamtes für Flurbereinigung und Siedlung bestimmt. Er trat dieses Amt am 1. Mai als erster Nichtfachmann in der 150-jährigen Geschichte dieser Sonderverwaltung an. Erich Weiß berichtet ergänzend von der Unruhe, die diese Besetzung in der Personalstruktur erzeugt hat. „Für das erfolgreiche Wirken der Verwaltung vor Ort gingen dabei vielfältige, vielgestaltige Vertrauensstrukturen verloren und betroffene Beamte wandten sich nicht selten von der Verwaltung ab – ein Verlust, der viele Jahre nachwirkte.“ Als ehemaliger Finanzbeamter vermochte der neue Präsident das notwendige enge Zusammenwirken seiner neuen Verwaltung mit anderen Fach- und Kommunalverwaltungen vor Ort nur schwer sachgerecht zu bewerten.

Ihrem Redakteur und Rezensenten erscheint an dieser jüngsten Veröffentlichung von Erich Weiß besonders wesentlich, heute erneut zu erkennen, welche belastenden Verstrickungen der NS-Zeit die damals Handelnden ausgesetzt waren. Aus der heutigen Sicht aller inzwischen bekannten unfassbaren Folgen des NS-Regimes im sogenannten „Dritten Reich“ wird einmal mehr deutlich, welche Zumutung allein jener Hitler-Eid für jeden pflichtbewussten Beamten bedeuten musste – eine Verurteilung jener „Mitläufer“ aus heutiger Kenntnis der Verbrechen der Nationalsozialisten sollte differenzieren können – in Ansehung jener damals erzwungenen Eide und ebenso des jedenfalls anfänglichen „Mitmachens“ in den NS-Organisationen – zumal in einer Diktatur, in einer Zeit der damals gleichgeschalteten öffentlichen Medien Presse und Radio und noch ohne Fernsehen.

Erich Weiß hat in dieser wertvollen neuesten Veröffentlichung wiederum zahlreiche Originalquellen der hier die maßgebenden Gesetze und umfänglichen rechtlichen Bestimmungen zitiert, ergänzt durch zahlreiche Fußnoten. Dem Autor ist zu danken, daß damit Leben, Wollen und Wirken von gestaltenden Persönlichkeiten der Landeskultur im nördlichen Rheinland im geschichtlichen Bewusstsein erhalten werden. – Die hier vorgestellten organisatorischen und biographischen Forschungsergebnisse von Professor Dr. Erich Weiß setzen frühere Arbeiten fort, wie wir sie hier besprochen haben.

Quelle: Erich Weiß: Die Leiter und Präsidenten des Landeskulturamtes Nordrhein/ des Landesamtes Nordrhein für Flurbereinigung und Siedlung 1945 – 1970. – Drei Persönlichkeiten der Agrarstrukturellen Entwicklung im nördlichen Rheinland, in Rheinische Heimatpflege – 53. Jahrgang – 2/2016 – S. 91 bis 106, ISSN 0342-1805, Köln 2016 – E-Mail: wiemer[at]rheinischer-verein.de.