Professor Dr.-Ing. Walter Seele in Bonn geehrt

Mit einem Ehrenkolloquium an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn wurde Professor Dr.-Ing. Walter Seele am 26. September 2014 aus Anlaß der Vollendung seines 90. Lebensjahres geehrt.

Universitätsprofessor Dr.-Ing. Walter Seele hat die geodätischen Themen Bodenordnung und Grundstückswertermittlung wie kaum ein anderer in Praxis, Lehre und Forschung geprägt.  Nach seiner kommunalen Praxis in Wattenscheid, Darmstadt und insbesondere in Nürnberg wirkte er als Lehrstuhlinhaber für Bodenordnung und Vermessung an der Gründungsuniversität Dortmund 1968 bis 1975 und anschließend 1975 bis 1989 in der Professur für Bodenordnung und Bodenwirtschaft an der landwirtschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Unvergessen sein Einsatz kurz nach seiner Emeritierung unmittelbar nach der Wiedervereinigung als Gastprofessor in Dresden. 

Uns Vermessungsingenieuren hat Walter Seele 1970 in einer kritischen Betrachtung zur Situation in der Bodenordnung deren zwei Gesichter offenbart. Die Bodenordnung als jene hoheitliche Maßnahme, mit welcher Eigentums- und Besitzverhältnisse so verändert werden (sollen), daß sie den städtebaulichen Planungen entsprechen – andererseits die Bodenordnung als Rechts- und Wirtschaftsordnung des Grund und Bodens, als Bodenverfassung. Und diese eingebettet im Spannungsfeld von Eigentumsgarantie und Sozialbindung nach dem Grundgesetz.

Während seiner Lehr und Forschungstätigkeit entwickelte er ein besonders umfassendes Bild der Geodäsie, begründet historisch schon aus dem 19. Jahrhundert: Der Stamm der Landvermessung habe mit der Erd- und Landesvermessung und dem Liegenschaftswesen zwei Äste angesetzt. Der eine Ast –  Erd- und Landesvermessung –  habe sich aus der Landvermessung durch Aufnahme der Erdvermessung entwickelt. Der andere Ast –  Liegenschaftswesen – ist Grundstock für Zweige wie u.a. die bodenordnende Grundstücksumlegung, Grundstücksbewertung, Katastertechnik, das kommunale Vermessungs- und Liegenschaftswesen. Mit diesem trefflichen Bild hat Walter Seele eine ganz überzeugende Metapher der Geodäsie entwickelt. –

Walter Seele wurde vor 90 Jahren am 14. September 1924 in Minden in einer Zeit des zaghaften Wiederaufstiegs nach dem Ersten Weltkrieg im damaligen Deutschen Reich geboren. Die Jugendzeit wurde alsbald durch die Kriegszeiten des Zweiten Weltkriegs verdunkelt. Nach dem Abitur wurde Wehrdienst  ernste Pflicht, am 1. Februar 1943 begann für den 17-jährigen persönlich  jener schreckliche Zweite Weltkrieg an der Ostfront. Nach schwerer Verwundung wurde er noch vor Kriegsende entlassen.

Ab 1946/47 studierte Walter Seele in Bonn Geodäsie und daneben 4 Semester Wirtschaft- und Sozialwissenschaft. Seine Dissertation bei Professor Dr. Edmund Gaßner „Die wechselseitigen Beziehungen zwischen städtebaulicher Planung und Bodenwertbildung“, behandelte ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch sein ganzes späteres Wirken ziehen sollte.

Nach Assistenten- und Referendarzeit  folgten 11 Jahre kommunale Praxis in  Wattenscheid, Darmstadt und ab 1963 in der Großstadt Nürnberg. In jenen Jahren hat er als Amtsleiter eine ganze Reihe von  Grundstücks-Umlegungsverfahren gestaltet.  – Sein Nachfolger in Nürnberg Prof. Dr.-Ing. e.h. Hubertus Hildebrandt hat diese Arbeiten erfolgreich weiterentwickelt.

Seinerzeit  wirkten Persönlichkeiten wie Professor Edmund Gaßner als Bauingenieur (1908 – 2004) und in der geodätischen Praxis zahlreiche Geodäten, stellvertretend sei nur erinnert an Willi Bonczek, Essen (1907 – 1986 ) – Diedrich August Overhoff, KVR Essen (1899 – 1978) –  O. Pirkel, Köln – Siegfried Stahnke, Dortmund (1911 – 2008) aber auch Heinrich Röhrs, Bremen.

In diesem Umfeld  erfolgt in der Gründungsuniversität  Dortmund nach langem Diskussions-Prozess die Einrichtung eines Lehrstuhls „Vermessungswesen und Bodenordnung“ in der Abteilung Raumplanung auf den Dr.-Ing. Walter Seele berufen wurde.  In den Universitäts-Landschaften waren es ungemein bewegte Jahre, Stichwort Reformuniversität. Die Studentenschaft begehrte auf, die sogenannte 68-er Generation wollte alles selbst und alles anders machen. Studenten verlangten Projektarbeit anstelle von Vorlesungen. Drittelparität war in aller Munde. – Doch Professor Dr.-Ing Walter Seele hat erfolgreich darauf bestanden, daß Projektarbeit ohne Grundkenntnisse erfolglos bleiben muss. Politisch war damals das Thema „Planungswertausgleich“ relevant. Das richtungsweisende Gutachten für die Bundesregierung erstattete er 1976, erarbeitet mit Unterstützung seiner Assistenten, insbesondere Jörn Freise, Helmut Güttler, Wolfgang Kleiber, Hans-Otto Sprengnetter.

1975 wechselte Walter Seele von Dortmund nach Bonn auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Bodenordnung und Bodenwirtschaft, den er bis 1989 innehatte. Hier ist nicht der Ort, seine reiche Lehr- und Forschungstätigkeit zu würdigen. Siehe dazu den Beitrag von Prof. Dr.-Ing. Theo Kötter in der jüngsten zfv. – Walter Seele wirkte im DVW, in der Deutschen Geodätischen Kommission DGK, bei zahlreichen Aus- und Fortbildungsveranstaltungen, war Mitbegründer der Europäischen Fakultät für Bodenordnung in Straßburg – und nach seiner Pensionierung an der Technischen Universität Dresden. Hier sorgte er in den Jahren 1990 bis 1993 für die Verbreitung von Kenntnissen über die liegenschaftsverbundene Geodäsie und insbesondere die Bodenordnung in den sogenannten neuen Bundesländern.

Das außerordentlich reiche Schrifttum von Walter Seele ist in der Reihe der Beiträge zu Städtebau und Bodenordnung, Schriftenreihe des Instituts für Städtebau, Bodenordnung und Kulturtechnik der Universität Bonn veröffentlicht; in den beiden umfangreichen Sammelbänden Band 14 unter dem Thema „Bodenpolitik in Vergangenheit und Gegenwart“ (1994) und Band 22 unter dem Thema „Bodenwert und Städtebau“ (2002).

Zum Ehrenkolloquium am 26. September 2014 in Bonn war Ihr Redakteur eingeladen worden, die Laudatio zu halten – nach der Begrüßung vom Prodekan der Landwirtschaftlichen Fakultät Prof. Dr.-Ing. Theo Kötter und vom Geschäftsführenden Direktor des Instituts für Geodäsie und Geoinformation Prof. Dr.-Ing. Lutz Plümer. Im zweiten Vortrag sprach Professor Dr.-Ing. Franz Reuter, Schüler von Professor Walter Seele und Nachfolger in Dresden zum Thema: „Vergleichswertverfahren – Nonplusultra der Verkehrswertermittlung?“ – Der Jubilar hob in seiner Dankesrede u. a. hervor, wie Gemeinsinn und wohlverstandener Eigensinn (frei nach Kant) zu Führungseigenschaften gehören. Die zahlreich angereiste Kollegenschaft dankte Walter Seele mit stehenden Ovationen.

Literaturhinweise: Lucht, Harald: Laudatio „Einblick in das Lebenswerk des universalen Geodäten Walter Seele“, Veröffentlichung vorgesehen für die Dezember- Ausgabe der Zs. Flächenmanagement und Bodenordnung (mit weiterführender Literatur);  Kötter, Theo: Universitätsprofessor em. Dr.-Ing. Walter Seele zum 90. Geburtstag, in zfv Heft 5/2014 S. 345- 346;  Seele, Walter: Kritische Betrachtung zur Situation in der Bodenordnung, in zfv 1970 S. 431- 441, Seele, Walter: Vom Landmesser zum Landingenieur – zur Besinnung auf geodätische Aufgaben im Liegenschaftswesen und über die passende Lehre und Forschung, Kurzfassung in zfv 1986 S. 568 -572. Vollständiger Wortlaut in VR 1987 S. 1-16.

 Nachträge: Die Zs. VDVmagazin hat unseren Text in der neuesten Ausgabe für ihre Leser weitgehend übernommen, siehe dort (Jahrgang  2014)  S. 555-556 – Schüler, Mitherausgeber und Kollegen des Jubilars haben Walter Seele das Heft 5/2014 der Zs. Flächenmanagement und Bodenordnung fub gewidmet – mit neun Aufsätzen zum Leitthema Quo vadis Bodenpolitik. –  Die vollständige Laudatio ist veröffentlicht in Heft 6/2014 der fub S. 241-247, siehe www.haraldlucht.eu/241_247_fub_6_14_Laudatio_Seele  .