Vorträge zur Vermessungsgeschichte bei der INTERGEO Hannover

Im vollbesetzten Vortragssaal 17 im Kongress-Zentrum folgten höchst interessiert mehr als 100 Zuhörer den 3 angebotenenen Vorträgen zur Vermessungsgeschichte.

Zunächst sprach  Prof. Dr. Klaus Grewe, Swisttal-Morenhoven, vom Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland zum Thema „Von Meilen und Leugen – Zur Streckenvermessung im antiken Äquadukt- und Straßenbau“. Bei der Rekonstruktion antiker Aquädukte und Straßen gelingt es uns heute, den Planungsgedanken und die technischen Abläufe aus den Bauwerken selbst herauslesen, einschließlich der einst verwendeten Maßsysteme und Meßgeräte, z. B. Vitruvs Chorobat. Der Vortragende konnte aus seinen jüngsten Forschungsergebnissen die hohe Qualität der vermessungstechnischen Leistungen der römischen Ingenieure ableiten.  So erfolgten im Aquäduktbau Höhenübertragung mit hoher Präsision, und ebenso auch die Streckenmessung. Restliche Ungenauigkeiten z. B. im Straßenbau bei der Absteckung der Strecken zwischen den Meilensteinen liegen tatsächlich im unteren Promille-Bereich –  Zeugnis vom großartigen Ingenieurgeist der antiken Baumeister.

Prof. Dipl.-Ing. Klaus Kertscher, Oldenburg, führte das große Auditorium  „Auf den Spuren von Gauß und Leibniz“ und berichtete über die beiden wissenschaftlichen „Supers-Stars“ – so seine Worte – die vor 300 bzw. 200 Jahren in Niedersachsen lebten und wirkten: Gottfried Wilhelm Leibniz 1646-1716 und Carl Friedrich Gauß 1777-1855. Beide waren geniale „Allround-Wissenschaftler“ mit Schwerpunkten in der Mathematik. Gauß darüber hinaus in der Physik, Astronomie und Geodäsie, Leibniz in der Philosophie, Theologie, Ahnenforschung und vielem mehr. Klaus Kertscher schilderte Leibniz als eine durchaus ambivalente und Gauß als einen recht zurückhaltende Persönlichkeit. Hannovers Stolz auf Leibniz ist insbesondere in den vergangenen Jahren deutlicher herausgestellt worden, so auch im Logo (erinnernd an das binäre Zahlensystem) der jüngst in Leibniz-Universität umbenannten Hochschule. Der Vortragende verwies abschließend auf die bevorstehende Uraufführung des Films „Die Vermessung der Welt“ (nach dem berühmten Kehlmann-Roman) am 25. Oktober 2912 – zu dem der Förderkreis  Vermessungstechnisches Museum in Dortmund einige geodätische Instrumente beigesteuert hat.

Im 3. Nachmittagsvortrag stellten Priv.-Dozent Dr.-Ing. Hartwig Junius, Dortmund zusammen mit dem Co-Referenten Hermann Hartig, Volkswagen Coaching GmbH den Wiehen-Wagen vor: „Eine Geographische Maschine – Nachbau eines Pferdewagens von Wiehen aus dem Jahr 1772“. Hartwig Junius schilderte den ganz ungewöhnlichen Fund eines kleinen Buches, in dem Johann Georg Wilhelm Wiehen die Konstruktion einer Geographischem Maschine vorschlug (ein „Kartographiewagen“ so Originalton Hessenschau bei der Übergabe an Hartwig Junius vom Vermessungstechnischen Museum Anfang September d.J.) und berichtetet von der sich vor 3 Jahren anbahnenden hervorragenden Kooperationsbereischaft der Lehrwerkstatt von Volkswagen in Kassel-Baunatal.

Hermann Hartig setze dann die bildliche Vorstellung des Wiehen-Wagens fort. Nach einer kurzen Präsentation der Volkswagen Coaching GmbH in Kassel-Baunatal – einem Großunternehmen im VW-Konzern –  schilderte er die besonderen Herausforderungen der Realisierung einer vor 250 Jahren erdachten Konstruktion. Uralte Ideen von Zahnradgetriebe, Radabnahme, Maßstabsübertragung …in beredten Worten übertrug er die Begeisterung seiner fachlichen Mitarbeiter, wie sie die damalig gezeichneten und bemaßten Wiehen-Ideen in die moderne Konstruktionswelt übersetzten – es schien zunächst alles ganz einfach und wurde dann doch eine große Herausforderung und im Ergebnis ein Ingenieur-Meisterwerk.

Präsident Harald Lucht dankte allen Vortragenden und besonders der VW-Coaching GmbH – Herren Hermann Hartig und seinem mit angereisten Mitarbeiter Herrn Weigelt für die Realisierung dieser „Kartographie-Kutsche“, einem ganz frühen Vorläufer der heutigen Fahrzeugnavigation.